Als Bassersdorf am 1. August 1921 knapp einem Dorfbrand entging
Für Bassersdorfer ist das traute Bild des alten Dorfkerns rund um den Kreisel ohne Gasthof Löwen, der Schmitte, dem alten Primarschulhaus, dem schönen Riegelbau des alten Pfarrhauses, dem Restaurant Frieden usw nicht wegzudenken. Man eilt oft an diesen Häusern vorbei, um auf der Gemeindeverwaltung vorzusprechen, in den Dorfläden oder Einkaufszentren schnell noch seine Einkäufe zu tätigen oder beim Coiffeur sein Aussehen wieder aufzufrischen. Dabei wäre uns dieser heimelige Dorfkern vor 100 Jahren fasst entrissen worden.
Am 4. August 1921 erschien die nachfolgende kurze Mitteilung in der Zeitung Glatt:
Diese Mitteilung verschwieg, dass Bassersdorf an diesem 1. August des Jahres 1921 der grössten Brandkastastrophe entging, die das Dorf in seiner Geschichte je heimgesucht hätte. Nur dank dem herzhaften und gemeinsamen Zusammenarbeiten der Feuerwehren der Dörfer Bassersdorf, Nürensdorf, Dietlikon und Kloten sowie von Privatpersonen wurde diese Katastrophe verhindert.
Versetzen wir uns 100 Jahre zurück, an den Abend des 1. August 1921:
Wieder neigte sich ein fürchterlicher heisser Sommertag dem Ende entgegen. Die langanhaltende und heisse Trockenperiode hatte fast alles bis zur Selbstentzündung austrocknen und die Böden steinhart werden lassen. Dazu herrschte akuter Wassermangel. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet und die Bevölkerung wünschte sich nichts sehnlichster als Regen herbei.
Gegen Abend, die Dorfbewohner wollten sich bald zur Feier rüsten, riefen um 6 Uhr abends die markdurchdringenden Töne der Feuerhörner zu ernster Feuermannspflicht. Kaum hatte das Ohr auch das Sturmläuten der Kirche vernommen, sahen die Augen auch schon mitten im Dorf eine mächtige Rauch- und Feuersäule aufsteigen.
Das Anwesen der Familien Sieber-Grimm, Bitterli und Meier (heute Dorfweg 14) standen in hellen Flammen. Vielen Feuerwehrmänner dürfte in diesem Augenblick der Schreck in die Knochen gefahren sein und sicher durchfuhren auch blitzschnelle Gedanken ihre Köpfe: «Wie steht es mit dem Wasser? Haben wir genügend Wasser um den Brand zu löschen?» Und ein grässliches Bild entwickelt sich vor ihren geistigen Augen.
Auf dem Brandplatz angekommen, wurden man sich gewahr, dass dies nicht Phantasie, sondern schon bereits grausige Wirklichkeit geworden war. Wohl waren die ersten Hilfsmannschaften der Feuerwehr Bassersdorf blitzschnell auf der Brandstelle eingetroffen. Sie vermochten aber nicht das an allen Ecken und Enden aufflackernde Feuer mehr einzudämmen. Bereits sprangen die Flammen auch auf das Anwesen von Rudolf Brunner über. Der Feuerwehrkommandant sah sich plötzlich einer fast unlösbaren Aufgabe gegenüber. Der furchtbare Gedanke: «Was, wenn uns das Wasser im Stiche lässt? Wenn unsere Hydranten versagen und die Weiher das bitter notwendige Wasser nicht liefern können? Was dann?» Seine Befürchtungen traf glücklicherweise nicht zu. Dank der in den letzten Tagen geschaffenen Sparmassnahmen konnte der Aufseher über die Wasseranlagen dem Feuerwehrkommandanten die glückliche Meldung überbringen: «Es ist genügend Wasser vorhanden.»
Schon rauschten die Wasser der Weiher durch den Altbach heran und fingen sich in den eingelegten Schwelladen der Bachstauung, um schon ein paar Minuten später unter kräftigen Pumpenhuben der Handdruckspritze mit Wucht gegen das wilde Element geschleudert zu werden. Nun hiess es die Wassermassen an richtiger Stelle ansetzen. Die Hauptaufgabe bei einem Brand bestand immer darin, möglichst viel Hab und Gut aus dem brennenden Gebäude zu schaffen, den Brandherd zu löschen und die Nachbargebäude vor Feuerübergriffen zu schützen. Eine bange Zeit lang schien dieses Vorhaben fast unmöglich zu sein, brannten doch Holzwand und Dach von Rudolf Brunners Haus bereits. Doch gelang es schliesslich dem Opfermut von vier Strahlrohrführern, die züngelnden Flammen und das mottende Feuer an den hoch aufgestapelten Reisigwellen in der Winde zu dämmen.
Kaum vermochte man etwas aufzuatmen, als neuer Feueralarm ertönte. Der Dachstuhl der Handlung Josef Kindhauser (heute Gemeindehaus C) hatte Feuer gefangen und fast gleichzeitig entzündeten sich auch Fensterrahmen am Restaurant Frieden. Durch die grässliche Hitze und den Funkenwurf entstiegen plötzlich auch noch auf den Dachfirst des Hauses Ochsner viele kleine Räuchlein.
Der Feuerwehrkommandant stand nun einer fast aussichtslosen Situation gegenüber, denn er musste sich hier auf den gefährlichsten Brandherd konzentrieren und durfte seine Männer und Mittel nicht wahllos an allen Brandherden verzetteln: «Was aber ist zu tun, wenn jetzt nochmals mehr Häuser zu brennen beginnen? Kommen die angeforderten Feuerwehren der umliegenden Gemeinden noch rechtzeitig? Müssen womöglich noch weitere Feuerwehren aufgeboten werden? Nur: Reicht das Wasser überhaupt aus, um all die vielen Brände zu löschen? Oder muss er, wie vor gut 20 Jahren, zusammen mit dem Gemeinderatsvertreter entscheiden welche Häuser vorsorglich eingerissen werden müssen, um so der Ausbreitung des Feuers Herr zu werden?»
Zum Glück erübrigten sich seine trüben Gedanken, denn es trafen die Feuerwehren von Nürensdorf, Dietlikon und Kloten ein und schon kurz darauf sausten ihre feuertötenden Wasserstrahlen an die verschiedenen Brandherde. Dank der Schlagfertigkeit der Feuerwehren sowie der tatkräftigen Unterstützung von Privaten konnten diese neuen, äusserst gefährlichen Feuerherde im Keime erstickt und damit eine weitere Ausbreitung des Feuers verhindert werden.
Nach 1¼ Stunden war das Wohnhaus bis auf die Grundmauern zusammengestürzt und damit die grösste Gefahr abgewendet. Immerhin hatten die Feuerwehren weiter alle Hände voll zu tun, das immer wieder von neuem auflodernde Feuer niederzudämmen, was nach und nach gelang.
Um 21 Uhr 30 konnten die auswärtigen Feuerwehren von Nürensdorf, Dietlikon und Kloten, mit herzlichstem Dank für die vorzügliche Hilfeleistung, sowie auch ein Teil der Feuerwehr Bassersdorf entlassen werden. Als Sicherheitswacht blieben die Spritzen- und Schlauchmannschaft und die beiden Hydranten-Corps aufgeboten, bis auch sie am 2. August um 5 Uhr morgens entlassen werden konnten. Die Feuerlöscharbeiten waren damit glücklich beendet.
Mit Ausnahme zwei kleinerer Unfälle, Erb Hugo und Burkhalter Ernst, ersterer war nach einer Woche wiederhergestellt und letzterer war überhaupt nicht arbeitsunfähig, blieben die Feuerwehren von Personenschäden Gott sein Dank verschont. Damit hat eine Augustfeier im besonderen Sinne ihren Abschluss gefunden, die jedem Feuerwehrmann Zeit seines Lebens im Gedächtnis geblieben sein dürfte.
Die umsichtige Führung der Feuerwehr, der Opfermut der Ortsfeuerwehren und dem Umstand, dass fast Windstille herrschte, sowie genügend Wasser zur Verfügung stand, haben einen Dorfbrand, glücklicherweise abwehren können. Dies darf ohne Überhebung als eine der besten Leistungen der Feuerwehr Bassersdorf bezeichnet werden.
Auf Antrag der Feuerwehrkommission Bassersdorf beschloss der Gemeinderat am 1. September 1921 den Angehörigen der Feuerwehr Bassersdorf für ausserordentlichen Dienst bei Brandfällen einen Stundensold von 50 Cent auszuzahlen. Dieser Sold wurde auch rückwirkend auf den Brandeinsatz vom 1. August ausbezahlt, was bei diesem Brand eine Gesamtsumme von Fr. 227.50 ergab.
Und was waren die Lehre aus diesem Brand: Wasser, viel Wasser, und mehr Schlauchmaterial sowie eine geschulte schlagkräftige Feuerwehr. Das erste wurde bereits am Abend nach dem Brand, am 2. August, durch Eröffnung des neuen Wasserwerkes mit Hochdruckreservoir erfüllt. Das zweite ermöglichte die Gemeinde und das dritte konnte die Feuerwehrführung nach und nach heranbilden.
Die Bassersdorfer Bürger und Einwohner sind den Angehörigen der Ortsfeuerwehren von Bassersdorf, Nürensdorf, Dietlikon und Kloten, die aufopfernd am 1. August 1921 gemeinsam diese Brandkatastrophe abwendeten, dankbar.
Feuerwehrorganisation Bassersdorf am 01.08.1921
Wehrvorstand: Heinrich Brunner (Gemeinderat)
Feuerwehrkommandant: Robert Bachmann, Architekt (Feuerwehrbestand: 198 Mann)
Hydrantenkorps: Erstellt und betreibt Löschwasserleitungen ab Hydrant.
Bachschweller: Stauen bei einem Brand den Dorfbach in der Nähe des Brandobjekts, damit die Handdruckspritze mit Wasser versorgt werden kann.
Spritzenmannschaft: Bedienungsmannschaft der Handdruckspritze.
Schlauchmannschaft: (Handdruckspritze) Verlegen der Ansaugleitungen sowie Verlegen der Löschwasserleitung und bedienen der Abzweiger von der Handdruckspritze bis zum Strahlrohr.
Sitzungen des Gemeinderates (Auszüge)
Sitzung
des Gemeinderates am 1. September 1921, Abends 8 Uhr im Amtslokal Schulhaus.
Anwesend sind sämtliche Mitglieder des Gemeinderates
119. Feuerwehrgesuch
7.) Mit Zuschrift vom 23. August 1921 ersucht die Feuerwehrcommission den Gemeinderat um Genehmigung eines Vorschlages, es sei für ausserordentlichen Dienst bei Brandfällen ein Stundensold von 50cts zu bezahlen, was beim Brandfalle vom 1. August 1921 einen Betrag von Fr. 227.50c ausmachen würde. Der Gemeinderat erstattet einstimmig seine Genehmigung zu diesem Vorschlag.
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Sitzung
des Gemeinderates am 3. November 1921 im Amtslokal Schulhaus.
Der Gemeinderat ist vollzählig
158. Vergütung Brandassekuranz vom 1. August 1921
g.) Die Baudirektion des Innern, Abteilung Brandassekuranz macht die Mitteilung, dass von dem Brandfall vom 1. August 1921 folgende Entschädigung bezahlt werden:
1. Jos Kindhauser: Fr 50.-, Haus No 215
2. Rud. Brunner, Frei: Fr 4219.-, Haus No 234
3. Bertha Bitterlin'Erben: Fr 6750.-, Haus No 235a / Fr 20.-
4. Bertha Bitterlin'Erben: Fr 3100.-; Haus No 235b
5. Rud. Meier: Fr 4195.-, Haus No 236
6. Jak. Grimm's Erben: Fr 29'470.-, Haus No 237
Beim Wiederaufbau innert Jahresfrist wird die Vergütung für Gebäude No 235b bis auf Fr 6000.- erhöht.
Vorbehalt bleibt § 7 Ab. 2 der Kantonsratbeschlüsse vom 21. Mai 1918 (dem Eigentümer darf aus der Vergütung für Brandschaden kein Gewinn erwachsen.)
Quellennachweis
Feuerwehr Bassersdorf, Festschrift 50 Jahre Pikett Bassersdorf, 1985
Gemeinde Bassersdorf: IV.B. 2.10 Verwaltungsprotokolle 1918-1923
Gemeinde Bassersdorf: IV.B.18.4 Brandkataster der politischen Gemeinde Bassersdorf, angefangen im Jahr 1899 (-1938), Band I
Zürcher Unterländer, Ausgabe vom 4. August 1921