Vor 100 Jahren: Sonntagschule in Obholz

Es war vor hundert Jahren …

«Heiri Isler, der längst verstorbene Vater unserer Sigristin, Frau Marie Hug-Isler, hat immer wieder erzählt, dass am Tage seiner Geburt am 10. Oktober 1875 in Obholz zum ersten Mal Sonntagschule gehalten worden sei. Dieser Kindergottesdienst ist durch Anna Isler-Huber die Grossmutter von Frau Hauser-Isler an der Geerenstrasse eingeführt worden. Sie hatte ein paar Kinder eingeladen, und weil es damals in unserer Gegend nichts ähnliches gab, kamen die Kinder aus allen Nachbardörfer bis hin von Baltenswil.

Die Sonntagschule fand damals allerdings noch am Sonntagnachmittag um 13.00 Uhr statt. Aber die Kinder stapften Sommer und Winter nach Obholz hinauf; auch Schnee und Kälte konnte sie nicht abhalten. Frau Isler nahm sie in ihre Stube auf und erzählte ihnen biblische Geschichten. Dabei war die Bibel ihr einziges Lehr- und Hilfsmittel. Bald war diese Stube zu klein. Als dann eine Bauernfamilie aus Obholz wegzog wurde dort eine grössere Stube frei. Frau Städeli-Gujer aus Nürensdorf sagte später: Wir Kinder freuten uns schon auf dem Heimweg auf den anderen Sonntag! Das galt offenbar schon für die erste Zeit.

An Weihnachten, wenn die Eltern zum Fest kamen, war in der Stube kein Platz. Da richtete man denn im Tenn einen Tannenbaum. Der Bauer hatte vorgesorgt und vom Heustock etwas frei gemacht, damit die Erwachsenen dort sitzen konnten. Natürlich war es manchmal recht kalt. Es gab auch noch kein durchdachtes Programm, sondern wie in einer grossen Familie wurde einfach das Weihnachtsevangelium gelesen, es wurden Lieder gesungen und einige Sprüche aufgesagt. Im einen Jahr kam der Pfarrer von Kloten, im nächsten Jahr war die Reihe an unserem Pfarrer von Bergen.

Nach der Grossmutter Isler begleitete die Jumpfere Anna Isler genannt «das Näneli» die Sonntagsschule. Jumpfere Isler war damals Kindergärtnerin in Kloten. Eine Fotografie zeigt, dass sie dort etwa 60 Kinder zu betreuen hatte zwischen 4 und 7 Jahren, übrigens von 8.00-11.00 Uhr und von 13.00-18.00 Uhr. Weil sie durch einen krummen Rücken behindert war, wurde ihr dann der sonntägliche Gang nach Obholz zu beschwerlich, und sie sah sich nach weiteren Mithelfern um. So kamen denn Luise Isler, Anna Weiss (die Schwester von Vater Otto Weiss, in Birchwil) und ein Fräulein Meier von Gerlisberg dazu. Zu diesen Helfern sind noch manche unserer alten Bassersdorfer und Nürensdorfer in die Sonntagsschule gegangen. Otto Weiss Senior berichtete einmal, wie schön es war, wenn unterwegs die Kirschen reif waren, und wie die Lehrerin etwa fragte: «Seid ihr wieder an den Chriesi gewesen? Man sieht es an euren Mülere a.»

Als dann Pfarrer Girsberger nach Bassersdorf kam, wurde die Sonntagschule aufgeteilt und nach Oberwil und Gerlisberg verlegt. Das war wohl wegen der Kinderzahl nötig. Aber den damaligen Sonntagschülern tat es weh, als sie im Jahre 1905 zum letzten Mal in Obholz Weihnachten feierten, und als damit die Sonntagschule in Obholz ihr Ende nahm.»

Ich danke Frau Hauser-Isler sehr für das Interview, das sie mir zu diesem Thema gewährt hat.

Th. Pfister
(ehemaliger Pfarrer von Bassersdorf, Aufzeichnung aus dem Jahre 1975)