Unsere Glocken

Im Jahre 1840 war die grösste der drei Glocken, die damals im Bassersdorfer Kirchturm hingen, gesprungen. In der Folge entspann sich in der Gemeinde eine lebhafte Diskussion darüber, ob das ganze Geläute umgegossen und eventuell durch eine vierte Glocke ergänzt werden solle; ferner gab die Wahl der Glockengiesserei Anlass zu Auseinandersetzungen. Eine erste Gemeindeversammlung lehnte die Anschaffung einer vierten Glocke ab. Auf Grund einer Eingabe von mehr als einem «Sechstheil» der Stimmberechtigten musste dann eine ausserordentliche Kirchgemeindeversammlung einberufen werden. Da sich der Präsident und Vizepräsident weigerten, diese Versammlung zu leiten, wurde der Vorsitz durch einen Bezirksrat geführt. Nach dem Protokoll musste die Versammlung «eingetretener Unruhe und einbrechender Nacht wegen aufgehoben, die Geschäfte abgebrochen und ihre Fortsetzung auf spätere Zeit verschoben werden.» Das nächste Mal mussten sich die Stimmbürger durch den Vorsitzenden «durch ernste und kräftige Worte zur Ruhe, zum Anstand und zu gesetzlicher Ordnung während der Verhandlung dieses so wichtigen Gegenstandes» ermahnen lassen. Inzwischen aber hatten aktive Gemeindeglieder Geld für eine vierte Glocke gesammelt und boten den Betrag der Kirchgemeinde als Geschenk an. Auch gegen dieses Geschenk wurde noch laut protestiert. Schliesslich aber wurde es doch «mit einer an Einmut grenzenden Mehrheit» dankbar angenommen. Die Inschrift auf dem Rand unserer alten Glocken zeigt, dass das Geläute schliesslich im Jahre 1841 durch Jakob Keller in Zürich-Unterstrass gegossen wurde. Auch die Erbauer des Glockenstuhles haben ihre Namen in die Eichenbalken geschnitzt: Zimmermeister Heinrich Ringger zu Bassersdorf und Hans Jakob Hotz zu Nürensdorf. - 1841.

Aus noch früherer Zeit ist mir über die Glocken nichts bekannt. Es darf aber- angenommen werden, dass nach allgemein christlichem Brauch auch bei uns von Anfang an mindestens eine kleine Glocke in der Kirche hing. Seit rund 700 Jahren hat wohl fast ununterbrochen täglich eine Hand nach dem Strang gegriffen und mit dem Glockenruf die Dorfbewohner zum Gebet ermahnt.

Bei der Renovation im Jahre 1963/64 drängte sich aus verschiedenen Gründen die Umstellung auf das automatische Geläute auf. Einmal zeigten sich mehr und mehr Schwierigkeiten, die benötigten Läuterbuben zu bekommen. Einst war es der Stolz der Jugend gewesen, hier Hand anlegen zu dürfen. Heute sind die Interessen der Jugend ganz anders gerichtet; auch ist sie zeitlich ganz anders in Anspruch genommen. Zum andern lebte schon seit Jahren in der Gemeinde der Wunsch, das Geläute zu erweitern. Die Kirchgemeinde ist in den letzten Jahren überaus gewachsen und es sieht aus, als ob dieses Wachstum in der kommenden Zeit unvorstellbare Formen annehmen werde. Darum hat die Kirchgemeinde beschlossen, eine rund zwei Tonnen schwere grosse Glocke neu giessen zu lassen und dem Geläute einzufügen. Da man es nun niemandem zumuten konnte, diese schwere Glocke von Hand zu läuten, legte sich eine vollständige Umstellung nahe. Musikalische Ohren hatten sich auch nie ganz damit abgefunden, dass das alte Geläute unrein tönte. Der Glockengiesser hatte damals die Tonfolge e' - gis' - h' - e" giessen wollen. Aber offenbar war ihm das nicht ganz gelungen. Der Glockenprüfer musste feststellen, dass die kleine Glocke um einen ganzen Ton zu hoch gestimmt war. Sie wurde durch eine neue kleinste Glocke ersetzt. Es wurde eine Möglichkeit gefunden, trotz der neuen Glocke den alten Eichenstuhl zu erhalten und nur zu ergänzen.

Betrachten wir noch kurz das Geläute: Auf der grössten Glocke cis' - (1730kg) ist als Inschrift das Prophetenwort des Jeremias angebracht:

               Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!

Darüber steht als Symbol ein einfaches Kreuz. Denn das ist des Herrn Wort, dass Gott seine Welt und also auch uns so sehr geliebt hat, dass er seinen Sohn für sie ans Kreuz gab. Gottes Taten, nicht unsere eigenen Werke, sollen in diesem Haus verkündigt werden.

Auf der grossen E-Glocke (1145 kg) lautet die mehr als 100-jährige Inschrift:

               Mein Ruf ertönt für sechs Gemeinden in einen Tempel zu vereinen,
               Gott anzubeten, Gottes Lehren mit froher Andacht anzuhören. Es 
               nahe sich, wer Gott verehrt, sooft er meine Stimme hört.

Die Gis-Glocke (548kg) mahnt:

               Fange des Morgens die Arbeit mit Gott an und ende des Abends 
               dein Tagewerk mit Gott! Vergiss auch den Nächsten nie in der Noth!

317 kg schwer ist die H-Glocke mit dem Sinnspruch:

               Sei gross, sei klein, sei arm, sei reich, vor Gott, dem Herrn, sind alle gleich.

Auf der kleinsten Glocke (220kg) ist das Kreuz von einem Strahlenkranz umgeben. Worte wie «Licht», «Sonne» und also «Ostertag» sollen damit in uns geweckt werden. Nicht etwa traurige Karfreitagsstimmung, nicht müde Resignation, sondern Gottes Sieg über Sünde und Tod, das ist die rechte Botschaft vom Kreuz. So passt denn auch dieses Zeichen ausgezeichnet zu dem Liedervers aus unserem Gesangbuch, der auf dieser neuen Glocke steht:

               In dir ist Freude in allem Leide, o mein lieber Jesus Christ.

Die Tonfolge der Glocken lautet nun: cis' - e' - gis' - h' - cis".

Darin ist ein Moll- und ein Durmotiv enthalten, das jedes auch für sich geläutet werden kann. Für Gottesdienst, Trauungen, Beerdigungen etc. wird je eine besondere Zusammenstellung gewählt. So verrät die Glockensprache dem Kundigen gar vieles. Immer aber sollen diese fünf Glocken in die «sechs Gemeinden» hinaus rufen: Lobe den Herren! Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!

Theodor Pfister, Pfarrer