Taufstein der evangelisch-reformierten Kirche

Am 20. Oktober des Jahres 1509 erhielten die «ehrbaren Leute von Bassersdorff, Nüerisdorff, Habchet, Baldeschwyle, Oberwil und Birchwil» auf Empfehlung zweier Kardinäle hin vom Papst tatsächlich die Vollmacht, «einen Touffstein uffrichten und da Ire Kind durch einen jeglichen tougenlichen Priester touffen, messen halten und andere göttliche empter eins Beglichen Sonnentags und sunst fyrlichen Tags vollbringen und dem Volch das Gotteswort verkünden lassen und von demselben Priester alle Sacrament empfachen mögen». Mit dem Recht des eigenen Taufsteins war auch das Recht verbunden, den Priester selbst zu wählen.

Der Anlass der Rangerhöhung dürfte zugleich Anlass zur Vergrösserung der bisherigen Kapelle, das heisst zum Ausbau zur Kirche gewesen sein.

1855/56 wurde ein neuer Taufstein angeschafft. (Vom alten Taufstein ist zurzeit nichts bekannt.) Es ist ein Kind der Zeit, gotisierend, oktogonal, mit reichem Astwerk und acht Figuren zwischen Säulen, alles in Terrakotta, uni-hellgrau gefasst.

Der Taufstein wurde in den Jahren 1963/64 während der Renovation der Evangelischen Kirche Bassersdorf, mit dem Kirchenfenster zusammen, entfernt und dem Kultus entzogen.

In bezug auf die Entstehungsgeschichte des Taufsteines können aus den Protokollen des Stillstandes der Kirchgemeinde Bassersdorf wichtige Informationen entnommen werden. Zum erstenmal ist in diesen die Rede von einem Taufstein an der Sitzung vom 1. Oktober 1854.

«Taufstein, neuer in die Kirche, von Ziegler-Pellis in Winterthur. 5. Mit Beziehung auf ein Schreiben des Herrn Ziegler-Pellis in Winterthur, dat. 1854 Sept. 22, worin derselbe der hiesigen Gemeinde einen Taufstein anbiethet für Fr. 350.- franco zur Kirche, so dass er der Gemeinde noch Fr. 50.- anbiethet wird beschlossen, die Taufe bis zu einer bevorstehenden grössern Reparatur der Kirche ruhen zu lassen.»

Bis zur Beschlussfassung des Ankaufs eines neuen Taufsteines wird in Bassersdorf jedoch noch ein weiteres Jahr vergehen. Das Protokoll der Sitzung vom 17. September 1855 lautet:

«Neuer Taufstein: 3. Der vorläufige Preis eines neuen Taufsteines aus Thon durch die hiezu verordnete Kommission für Fr. 320 von Herrn Ziegler-Pellis in Winterthur wird genehmigt und die Kommission angewiesen, die weitem Schritte zu Herschaffung und Aufstellung des Steines wie z. B. Beschaffung der nöthigen Steinplatte zu thun.»

An der Weltausstellung von London im Jahre 1851 wurde ein identischer Taufstein gezeigt.

Das Material, aus welchem der Taufstein gefertigt wurde, ist gebrannte, unglasierte Tonerde. Nach dem Brand wurde der Ton bemalt. Gemäss dem Protokoll des Stillstandes der Kirchgemeinde Bassersdorf wurde der Taufstein in rohem, unbemaltem Zustande geliefert, die Bemalung erfolgte erst am Bestimmungsort. Durch die Protokollauszüge liegt die Vermutung nahe, dass dabei die Bemalung des Taufsteines am Bestimmungsort im Preis inbegriffen war, insbesondere deshalb, weil im Protokoll des Stillstandes keine Kosten hiefür erwähnt werden. Im Protokoll der Sitzung vom 17. August 1856 heisst es:

«Taufstein, wegen Vollendung der Malerarbeit an demselben. 4. Da der Taufstein noch immer nicht fertig gemalt ist, so wird der Präsident beantragt, Herrn Flachmaler Kronauer in Winterthur schriftlich zur Vollendung desselben anzuhalten.»

In den Protokollen des Stillstandes der Kirchgemeinde Bassersdorf vom 14. August 1910 und 4. März 1919 finden sich weitere Angaben zur Bemalung des Taufsteins.

Der Taufstein von 1855/56

Auszug aus dem Prospekt der Ziegler'schen Thonwaarenfabrik Schaffhausen

Anmerkung zum Firmenprospekt

Preis-Corrent der Ziegler’schen Thonwaarenfabrik früher Ziegler-Pellis Schaffhausen. Schaffhausen 1869. Lith. von A. d'Aujourd'hui und Weidmann in Schaffhausen. Oktavformat. S. 102. Von dieser Ausgabe konnte bis heute kein Exemplar mehr aufgefunden werden. Auch die Fotografien des ganzen Taufsteines (Foto Nr. 25812) und der einzelnen Figuren (Foto Nr. 25807) des Schweizerischen Landesmuseums stammen wahrscheinlich aus einer Ausgabe von 1872, wie der Foto Nr. 25085 zu entnehmen ist, betitelt mit Preis-Corrent, wobei mit Handschrift hinzugefügt wurde: «vom 1. Mai 1872». Die Originalprospekte der im Schweizerischen Landesmuseum angefertigten Fotos sind nicht mehr erhalten. Bekannt ist ein 32seitiges Exemplar eines Preis-Corrent der Ziegler’schen Thonwaarenfabrik Schaffhausen. Lith. v. A. d'Aujourd'hui u. Weidmann in Schaffhausen. Schaffhausen 1872.

Der Taufsteinkörper

Der Taufstein besteht aus neun Teilen, dem eigentlichen Taufsteinkörper und den acht Figuren, welche am Taufsteinkörper mittels Tonzapfen angebracht wurden. Die Zapfen auf der Rückseite der Figuren wurden in die entsprechenden Löcher in den Nischen des Mittelstückes hineingesteckt. Das Material, aus welchem der Taufstein gefertigt wurde, ist gebrannte, unglasierte Tonerde.

Der Taufstein weist eine Höhe von 106 cm auf. Der 24 cm hohe, achteckige Sockel wird durch eine schräg angeschnittene Sockelleiste nach unten abgeschlossen. Ein Karniesfries leitet von der Sockelzone in den 56,5 cm hohen, figurenbesetzten Mittelteil des Taufsteines über, wobei die Achteckform des Sockels übernommen wird. Um den Mittelteil herum befinden sich acht Figuren (Höhe 37 cm), in Nischen gestellt. Die einzelnen Nischen sind durch schlanke Säulchen (in der gotischen Architektur auch Dienste genannt) voneinander abgetrennt. Die Nischen werden oben durch zwei Kreuzrippen abgeschlossen, ein aus einer Blattknospe gebildeter Schlussstein setzt den Akzent. Auch die Basis der Säulchen ist mit Blattwerk verziert, ebenso das Kapitell und der darüber liegende Kämpfer. In den Nischen stehen die Figuren auf achteckigen Konsolen, deren Unterseite mit Blattwerk und Knospen ornamentiert ist. Die acht Figuren selbst stellen die vier Evangelisten und die Personifizierungen von Glaube, Liebe, Hoffnung und Gebet dar, allesamt weibliche Figuren.

Über dem Mittelteil befindet sich das eigentliche Taufbecken (25,5 cm hoch, 20 cm tief), reich mit Ornamenten und Figuren verziert. Ursprünglich war es wohl mit einer Zinnschüssel ausgelegt, welche der eigentliche Behälter für das Taufwasser war. Das Becken wurde mit einem flachen Holzdeckel gegen Verunreinigungen geschützt.

Das Taufbecken, vom Grundriss her ans acht konkaven Bogenelementen gebildet und dessen acht Seiten als konkave Bogenfelder geformt, ist alternierend mit den den Evangelisten zugehörigen Symbolen und mit Akanthusblättern dekoriert. Die Bogenfelder mit der Akanthusornamentik befinden sich jeweils über den weiblichen Figuren.

Die Darstellungen

Die Figur des Evangelisten Markus wurde wie alle andern Figuren auch mit Gewand und Mantel dargestellt. Der Mantelknopf ist auf die linke Schulter verschoben, und der Mantel selbst wird durch den rechten Arm leicht gerafft. Die rechte Hand ruht auf der Brust, in der linken hält er das aufgeschlagene Evangelium, in welchem er liest. Der rechte, unbeschuhte Fuss schaut leicht unter dem Rocksaum hervor. Der Kopf des Evangelisten wird mit Bart und langen Haaren dargestellt.

Rechts von der Figur des Evangelisten Markus befindet sich die Personifikation der Hoffnung. Der Mantel dieser Figur bedeckt das leicht geneigte Haupt. Die Hände sind auf der Brust gefaltet, die Füsse durch den Saum der Bekleidung vollständig verdeckt.

Weiter im Uhrzeigersinn nach rechts folgt die Figur des Evangelisten Johannes. Der Mantelknopf befindet sich auf der rechten Schulter, der Mantel selbst ist grosszügig über das Kleid drapiert. Diese bartlose, aber mit langen Haaren dargestellte Evangelistenfigur hält in der linken Hand einen Kelch, die rechte ruht leicht auf der Brust. Die nackten Füsse schauen etwas unter dem Kleid hervor. Im Bogenfeld über ihm steht mit ausgebreiteten Schwingen, Kopf und Schnabel nach rechts gerichtet, ein Adler auf einem unbeschriebenen Spruchband.

Es folgt die Personifikation der Liebe. Sie ist barhäuptig dargestellt, den Kopf leicht geneigt. Die linke Hand ist auf die Brust gelegt, die rechte hält eine kleine Öllampe. Der Mantel ist über die linke Schulter gelegt, die Enden sind leicht gerafft über dem Bauch zusammengenommen und mit der linken Hand festgehalten. Ihre Füsse sind vom Rocksaum verdeckt.

Als nächste Figur findet sich der Evangelist Matthäus. Die Rechte ruht auf der Brust, in der Linken hält die bärtige Figur das geschlossene Evangelium. Der Evangelist blickt leicht nach links, der rechte nackte Fuss schaut etwas unter dem Kleid hervor. Der Mantel umhüllt die ganze Gestalt und wurde über den rechten Arm drapiert. Über ihm im Bogenfeld ist die Halbfigur eines Engels, wobei unter ihm das schon in den andern Bogenfeldern vorkommende unbeschriebene Spruchband durchgezogen wurde.

Die Personifikation des Glaubens hält in der linken Hand das Kreuz, in der rechten einen Kelch. Das Haupt ist mit einem Tuch bedeckt, die Füsse sind durch den Saum des Gewandes verhüllt. Der Mantel ist vorne gerafft und mit der kelchhaltenden Hand festgehalten.

Der Evangelist Lukas hält das geschlossene Evangelium in der rechten Hand, die linke ist durch den Mantelüberschlag verdeckt wie auch die Füsse durch das Gewand verdeckt sind. Der Evangelist blickt etwas nach links, Bart- und Haupthaare sind mittellang.

Die Personifikation des Gebetes hält ihre gefalteten Hände auf der Brust. Im Haar trägt sie ein einfaches Zierband, ein beschuhter Fuss schaut leicht unter dem Kleid hervor. Der Mantel wurde auf den rechten Arm drapiert.

Mit den vier Evangelisten am Taufstein ist eine Ikonographie gegeben, welche dem Ritual der Taufe und dem dazu benötigten Gegenstand angepasst ist. Durch die Taufe wird der Mensch in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. Die vier Evangelien bilden die grundlegenden Bücher des Christentums, die der Christ ernsthaft zu lesen hat. Da bei der Gestaltung des Taufsteines eine Symmetrie angestrebt wurde, mussten auch die weiblichen Figuren in der Zahl vier erscheinen. Dies bot aber gewisse Schwierigkeiten, denn in diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, mit welcher Figur die drei theologischen Tugenden, Glaube, Liebe und Hoffnung, welche auf den Lehren des Paulus beruhen, zu ergänzen seien.

Der Glaube, dargestellt mit Kelch und Kreuz, entspricht dabei durchaus der gängigen lkonographie, und diese beiden Attribute «spielen auf Kreuztod und Messopfer» an.

Die Hoffnung, in gewissen Fällen mit dem Anker als Attribut dargestellt, ist am Taufstein ohne Attribut dargestellt. Diese Figur hält die Hände auf der Brust gekreuzt, das Haupt ist leicht geneigt, und der Blick ist nach unten gerichtet, was eher eine demütige Haltung andeutet.

Bei der dritten Personifikation, der Liebe oder auch Caritas, wie sie genannt wird, ist zu unterscheiden zwischen der Darstellung der Liebe zu Gott und der Liebe zur Menschheit (Mildtätigkeit). Bei der Figur am Taufstein handelt es sich um die Liebe zu Gott, denn sie wird durch Flammen als Caritas Dei charakterisiert. Bei der Personifikation der Figur der Liebe am Taufstein, ist nicht ganz sicher auszumachen, ob es sich beim Gegenstand, den die Figur in der Hand hält, um ein Herz mit Flamme oder eine kleine entzündete Öllampe handelt. Auf jeden Fall war dem Bildhauer die lkonographie dieser Darstellung mit den Flammen bekannt, und er richtete sich bei der Gestaltung der Figur danach.

Was nun die vierte Tugend anbelangt, kann insofern eine Unregelmässigkeit festgestellt werden, als diese Dreierfolge der theologischen Tugenden bei Bedarf mit der Personifikation der Demut (Humilitas) ergänzt wurde. Für den Taufstein wurde die vierte Figur nun nicht durch die Demut, sondern durch die Personifikation des Gebetes ergänzt. Die Personifikation des Gebets wird von Oechslin ohne Attribute, mit gefalteten Händen, dargestellt. Auf die Frage, weshalb für den Taufstein als vierte Figur die Personifikation des Glaubens gewählt wurde, kann keine befriedigende Antwort gegeben werden. Möglich wäre allenfalls, dass aus der Zeit heraus, vielleicht auch unter Einfluss des Auftraggebers, dem Gebet gegenüber der Demut der Vorzug gegeben wurde.

Gedenkfeier «500 Jahre Taufrecht zu Bassersdorf»

Als Geschenk zur Gedenkfeier «500 Jahre Taufrecht zu Bassersdorf» restaurierte der Verein KULTUR-NETZ Bassersdorf den Taufstein, in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Ralph Höck (Atelier in Oberwil), in rund 400 Frondienststunden und überreichte ihn anlässlich der Feier am 25. Oktober 2009 der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Bassersdorf.

Seither steht der Taufstein wieder in dem Zustand in der reformierten Kirche Bassersdorf, wie er 1855/56 geliefert wurde.