Die Gefechtsübung bei Bassersdorf und Brütten am 23. und 24. September 1878
(ASMZ 1878, Seite 331/332)
Das 21. und 23. Infanterie-Regiment hielten zu gleicher Zeit ihre Wiederholungskurse u. zw. ersteres in Winterthur, letzteres in Zürich ab. - Die für den Ausmarsch bemessene Zeit wurde angemessen zu einer gemeinschaftlichen Gefechtsübung benützt. Dieselbe hat am 23. und 24. September in der Gegend von Basserstorf und Brütten (ungefähr die Hälfte des Weges von Zürich nach Winterthur) stattgefunden. Zu derselben wurden die 10 cm Batterien Nr. 33 und 34 und die Dragoner-Schwadronen Nr. 17 und 24 beigezogen. Die Artillerie benützte die Ersatzmannschaft, eine Anzahl Pferde der Fuhrwerke, eine dritte Batterie mit Hülfe der 8 cm Schulgeschütze von Frauenfeld zusammenzustellen.
Der Uebung lag der Gedanke zu Grunde: Ein Ostcorps hat hinter der Töss Stellung genommen, am Zürich- und Alt-Berg steht ein Westcorps, dessen Vorposten an der Glatt stehen. - Das Ostcorps hat am Abend des 22. Septb. Basserstorf und Baltenschwyl schwach besetzt, den 23. wird vom Westcorps eine Kolonne von allen Waffengattungen gesammelt und erhält diese den Auftrag, die Absichten und Stärke des Ostcorps in der Richtung nach Winterthur zu ermitteln.
Zur weitern Ausführung dieses Gedankens wurde weiter angenommen: Die Morgenpatrouillen des Ostcorps bemerken Truppenansammlungen bei Oerlikon, und wird dies dem Vorpostencommandanten zur Kenntniss gebracht; derselbe beschliesst, nach Kräften dem allfällig vorbringenden Feind dasselbe zu wehren, das Defilée hinter Basserstorf jedenfalls möglichst lange zu halten, um dem Hauptcorps von Winterthur her Zeit zur Unterstützung zu lassen, welche jedoch erst anlangte, als das Corps bereits bis auf die Höhe von Brütten zurückgedrängt ist. Den 24. September ergreift das verstärkte Ostcorps die Offensive, drängt die Kolonne des Westcorps zurück und versucht, dieselbe von der Rückzugslinie nach Oerlikon abzudrängen.
Ordre de bataille des Ostcorps: Kommandant Oberstlt. Gessner, Infanterie-Regiment 21, Bataillon 61 (Ziegler), Bataillon 62 (Wild), Bataillon 63 (Toggenburger), Dragoner-Schwadron 24 (Schöller), 10 cm Batterie 34 (Vogt).
Zusammenkunft an der Strasse nach Töss herwärts des Dorfes, wie folgt: Bataillon 61, Bataillon 62, Batterie 34, Bataillon 63.
Der Munitionsverbrauch für den 23. war auf 10 Patronen per Mann festgesetzt.
Anzug: Diensttenue und Tannreifer auf dem Tschako.
Der Abmarsch von Winterthur erfolgte 6 Uhr; jener aus der Sammelstellung von Töss ½7 Uhr. Ankunft der Kolonnenspitze in Bassersdorf 8½ Uhr; bis Ausspäher der Cavallerie waren schon beinahe eine Stunde früher hier eingetroffen.
Gleich nach Ankunft der Infanterie ordnete Herr Oberstlt. Gessner die Besetzung der Stellung von Basserstorf an, da bis weit vorpoussirten Cavallerie-Patrouillen die Annäherung einer starken feindlichen Colonne gemeldet hatten.
Die Stellung von Basserstorf begünstigte in hohem Masse den Widerstand gegen das von Schwamendingen und Wallisellen heranrückende Westcorps. - Dieselbe wird durch einen sich von Südost nach Nordwest hinziehenden Höhenzug, der sich 40 bis 60 Meter über die vorliegende offene Ebene erhebt, gebildet. Der obere Theil dieses Höhenzuges ist theilweise bewaldet, der Abhang bis zum Fuss durchgehends unbedeckt.
In einer Entfernung von 1200 bis 2000 Meter gegenüber erwähntem Höhenzug erhebt sich ein anderer viel niederer, der parallel läuft und sehr sanft ansteigt. Beide sind durch eine ebene, zum Theil sumpfige Thalsohle getrennt.
Das Terrain westlich der nach Basserstorf führenden Strasse ist bis auf circa 1300 Meter von diesem Dorfe mit Wald bedeckt. Von da bis Basserstorf befinden sich noch einzelne Obstbäume, während das Gelände östlich der Strasse ganz unbedeckt ist und beinahe keine Deckung gegen das Feuer von den gegenüberliegenden Höhen bietet.
Das Dorf Basserstorf, am Fuss der Vertheidigungsstellung gelegen, besteht meist aus Riegelhäusern und ist unzusammenhängend gebaut gegen Süden befinden sich Obst- und Gemüsegärten, welche die Vertheidigung der Umfassung erschweren, da sie das Schussfeld beschränken. Der Damm der Nationalbahn, der mit dem Höhenzug gleiche Richtung hält und nahe an dem Fuss desselben hinläuft, zieht sich der Länge nach durch die ganze Länge der Thalsohle hin und durchschneidet zum Theil den südlichen Theil des Dorfes Basserstorf, ohne dessen Vertheidigung besonders zu begünstigen. Letzteres wird von den rückwärtigen Höhen besser, als durch eine Besetzung des Ortes selbst vertheidigt.
Hinter Bassersdorf steigt die Hauptstrasse gegen Nürensdorf; sie zieht sich zuerst in südöstlicher Richtung hinter einem etwas niedern Hügel durch und wendet sich dann nach Nordost in das von bewaldeten Höhen gebildete, tief eingeschnittene Defilée von Nürensdorf.
Weite Waldstrecken, die zu beiden Seiten die Ausdehnung der Stellung beschränken, machen letztere für ein kleines Corps besonders vortheilhaft; sie erlauben keine Umgehung derselben in der Nähe und nöthigen den Angreifer zu einem sehr schwierigen Frontalangriff.
Der Commandant des Ostcorps disponierte in Folge Recognoscirung der Stellung seine Truppen wie folgt: das Bataillon 61 (Ziegler, diesen Tag wegen Erkrankung des Majors von Hauptmann Ritzmann commandirt) besetzte mit 2 Compagnien zum Zweck vorübergehender Vertheidigung Basserstorf, mit 2 Compagien den hinter Basserstorf sich erhebenden Hügel Hasenbühl; die 10 cm Batterie (Vogt) stellte sich auf der Höhe von Gsteitli auf einem freien Platz zwischen den Wäldern des Homberg und Geissbühl auf. - Das Bataillon 62 (Wild) besetzte den niedern Höhenzug südlich der Winterthurerstrasse (Schatz genannt), welcher den Eingang des Defilées von Nürensdorf deckt und eine vortheilhafte Bestreichung des Vorterrains in allen Richtungen gestattet. Allerdings hat eine Aufstellung auf diesem, die Vertheidigung ungemein begünstigenden Punkt auch das Missliche, welches alle Aufstellungen vor einem Defilée gemein haben: den schwierigen Rückzug.
Das Bataillon 63 (Toggenburger) stand in Reserve hinter dem Defilée vor dem Eingang des Dorfes Nürensdorf.
Die Dragoner-Schwadron, deren Aufgabe mit Entdeckung des Feindes gelöst war, und die im Centrum der Vertheidigungsstellung der Terrainbeschaffenheit wegen keine Verwendung finden konnte, war zur Deckung der linken Flanke nach Baltensweil entsendet worden.
Für den Fall, dass die Stellung unhaltbar werden sollte, hatte Oberstlt. Gessner für die Infanterie und Artillerie eine neue hinter dem Dorfe Nürensdorf in Aussicht genommen.
Die Infanterie stand einstweilen hinter den Höhen gedeckt und beobachtete blos durch einzelne Posten und Offiziere das Vorterrain.
Die Batterie befand sich in ihrer Stellung, sie war abgeprotzt und erwartete den Augenblick, wo in der Ferne ein des Schiessens werthes Ziel auftauchen würde.
Bisher hatten sich nur einzelne Infanterie- und Cavallerie-Patrouillen gezeigt; jetzt wurde eine Colonnenspitze sichtbar und gleich darauf fuhr eine feindliche Artillerie-Abtheilung in Batterie auf.
Es war 9 Uhr als die Artillerie des Vertheidigers das Feuer gegen diese eröffnete. Bald wurde dasselbe lebhaft von der feindlichen erwidert.
Die Infanterie des Vertheidigers besetzte, als die feindliche Infanterie ihr Vorrücken begann, mit einer Feuerlinie, die nach und nach verstärkt wurde, den vor ihr liegenden Höhenzug.
Doch bevor wir weiter gehen, müssen wir auf das, was beim Angreifer geschah, einen Blick werfen.
Das 23. Regiment, die 17. Dragoner-Schwadron (Huber) an der Spitze war 6 Uhr früh von Zürich abmarschiert; um 8 Uhr vereinigte sich das Corps in Wallisellen mit der Artillerie unter Major Hauser (der Batterie 33 Bär und der combinierten Batterie Oberstlieut. Bischoff); unaufgehalten wurde der Marsch gegen Basserstorf fortgesetzt und dabei folgende Marschordnung eingehalten:
Avantgarde-Commandant war Major Wüst; dieselbe bestand aus der Dragoner-Schwadron Nr. 17 (Oberstlieut. Huber), dem Infant.-Bataillon Nr. 68 und der combinirten 8 cm Batterie (Bischoff).
Das Gros bestand aus dem Bataillon 67 (Locher), der 10 cm Batterie 33 (Bär) und dem Bataillon 69 (Knüsli).
Das Südcorps war commandirt von Oberstlt. Zürrer.
Es war 9 Uhr als die Vorhut sich der Stellung von Basserstorf auf Schussweite genähert hatte und von der Artillerie des Ostcorps die ersten Schüsse erhielt; die Batterie der Avantgarde wurde jetzt vorgezogen, das Feuer der feindlichen Artillerie zu erwiedern und die Entwicklung der Colonne zu decken.
Oberstlt. Zürcher, der sich überzeugte, dass seine leichte Batterie der feindlichen schweren, welche überdies eine dominirende Stellung inne hatte, nicht gewachsen sei, zog die Batterie des Gros vor und liess sie sich links neben der bereits engagirten in Batterie setzen. Der Feind verdoppelte zwar die Heftigkeit seines Feuers, doch bald war Batterie 33 aufgefahren; nun ertönte der anhaltende Donner einer lebhaften Kanonade durch das Thal.
(ASMZ 1878, Seite 348-350, Fortsetzung)
Am 24. September sollte die Gefechtsübung zwischen Breite und Brütten beginnen. Das Terrain, von dem Eichwäldli zwischen Nürensdorf und Breite angefangen, ist eine bis in die Nähe von Brütten sanft ansteigende unbedeckte Ebene, die sich erst gegen das genannte Dorf etwas stärker erhebt. Mitten in dieser Ebene liegt das Dorf Breite, welches mit einigen Gärten und Obstbäumen umgeben ist. In südöstlicher Richtung, circa 200 Meter von dem Ort entfernt, an dem Weg nach Hackab liegt eine kleine Kapelle. Die Winterthurer Strasse von ihrem Austritt aus dem nach Nürensdorf führenden Walddefilée geht in nordöstlicher Richtung und wird ziemlich parallel von ausgedehnten Strecken Nadel- und Laubholzwald begleitet. Kurz bevor sich der Weg nach Brütten in nördlicher Richtung von der Winterthurer Strasse abzweigt, treten die Wälder auf circa 300 und 400 Meter an die genannte Strasse heran, so dass die Ebene sich auf 600 bis 700 Meter verengt. Diese Stellung erlaubt einen kleinern Corps die beiden Flügel an schwer zu passirende Hindernisse anzulehnen. Um sich hier bis zum Eintreffen der Verstärkungen halten zu können, sollte laut Anordnung vom Ostcorps diese Stellung am 23. Abends durch Jägergräben, die sich von einem der Flügelstützpunkte zum andern längs der Front hinzogen und eine eingeschnittene Batterie südlich der Winterthurer Strasse verstärkt werden.
Doch der Eigenthümer des betreffenden Landstückes forderte für den ihm durch die beabsichtigten Arbeiten entstehenden Schaden einen so bedeutenden Beitrag, dass man davon abstehen musste, dieselbe auszuführen. Statt derselben begnügte man sich die Profile zu den Verschanzungen auszustecken, eine Arbeit, die unter Leitung des zufälliger Weise anwesenden Herrn Generalstabs-Oberstlieutenant Bühler vollzogen wurde.
Den 24. September Morgens 4½ Uhr griff das Bataillon 67, Niemand weiss warum und wozu, das Dorf Brütten an. Die Abtheilungen, welche später die Vorposten beziehen sollten und die sich gerade bei der Morgensuppe bestand, wurden demselben entgegengeworfen. Nachdem beide Theile sich einige Zeit herum geschossen, wurde das Feuer eingestellt. Das Bataillon 67 ging wieder zurück; nun stellte das Ostcorps die Vorposten aus.
Nach Programm sollte um 7 Uhr die Gefechtsübung beginnen. Zu der genannten Zeit stand das Ostcorps in der oben beschriebenen (als verschanzt anzunehmenden) Stellung nordöstlich hinter dem Dorf Breite in Gefechtsformation.
Von dem Westcorps war das Bataillon 67 nach seinem verfrühten Vorstoss (der wohl später u. zw. zum Zweck einer Recognoscirung hätte vorgenommen werden sollen) in südlicher Richtung nach Hackab zurückgewichen. Zur Deckung des Rückzuges hatte dasselbe eine Compagnie bei der Kapelle von Breite zurückgelassen. - Das Bataillon 68 hatte zu beiden Seiten der Winterthurer Strasse den Waldrand gegen Breite zu mit 2 Compagnien besetzt und 2 andere rückwärts hinter dem Eichwäldli in Reserve aufgestellt. Letztere waren unter ein Commando gestellt.
Um 7 Uhr gab der Chef des Ostcorps Befehl zum Angriff. - Durch seine Disposition beabsichtigte er mit dem rechten Flügel kräftig vorzustossen, sich des Defilées zwischen dem Horm- und Mühleberg zu bemächtigen, so den Feind von seiner kürzesten Rückzugslinie über Basserstorf abzudrängen.
Die Truppen des Ostcorps waren zum Angriff wie folgt geordnet: das Bataillon 62 rückte rechts der Strasse von Nürensdorf vor. Nebst dieser Strasse links standen die beiden Batterien, neben ihnen, etwas seit- und vorwärts das Bataillon 63. Die beiden Schaffhauser Bataillone folgten zu beiden Seiten der Strasse als Reserve.
Die Bataillone 62 und 63 hatten die reglementarische Formation in Compagnie-Colonnen in zwei Treffen angenommen. Die beiden Compagnien des Vortreffens hatten anfänglich je eine Sektion in Tirailleure aufgelöst, und eine andere folgte als Unterstützung. Sobald sie auf Widerstand stiessen, wurde die Feuerlinie durch die zweite Sektion verstärkt. Später doublirte auch die dritte Sektion ein. Zum entscheidenden Angriff ging die vierte Sektion geschlossen vor, gab einige Salven ab und dann begann das sprungweise Vorrücken. So oft Halt gemacht wurde, hörte man vermischt mit dem Tirailleurfeuer die regelmässigen Salven der Unterstützungen. Beide Bataillone hatten es in dieser Fechtart zu ziemlich bedeutender Fertigkeit gebracht.
Der Angriff auf die Kapelle und den Waldrand wurde durch lebhaftes Geschützfeuer vorbereitet.
Es war 7 Uhr 40 Minuten als der Eingang in das Walddefilée von Nürensdorf von dem Bataillon 62 genommen war.
Vielleicht etwas zu rasch drangen die Bataillone 62 und 63 dem weichenden Feind durch den Wald nach und debouchirten auf dem Plateau von Nürensdorf-Hackab.
Das Bataillon 68 des Westcorps wich in Folge dessen hinter Nürensdorf zurück und besetzte mit 2 Compagnien den nördlichen Waldrand am Mühleberg. - Die 2 hinter dem Eichwäldli in Reserve aufgestellten Compagnien waren verschwunden.
Die Batterie des Westcorps stand in der Stellung zwischen Lattenbuck und Mühleberg, welche sie Tages zuvor inne gehabt hatte und begrüsste die aus dem Wald debouchirenden feindlichen Colonnen mit ihrem Feuer.
Gegen den Lattenbuck zog sich von Hackab das Bataillon 67 zurück. Eine Compagnie unter dem Bataillons-Adjutanten Spönly war durch das rasche Vordringen des Feindes genöthigt, den weiten Umweg über Lindau zu nehmen.
Um den Angriff auf die Stellung des Feindes südlich von Nürensdorf vorzubreiten und das Feuer der feindlichen Batterie zum Schweigen zu bringen, wurde die Artillerie des Ostcorps vorgezogen. Auch sie musste in der Stellung hinter Nürensdorf, welche sie Tages zuvor eingenommen auffahren. Weder für das West- noch für das Ostcorps gestattete das Terrain eine andere Artillerieaufstellung.
Schon fing das Bataillon 62 an in das Dorf Nürensdorf hinabzusteigen, um den anscheinend vom Feind nur schwach besetzten Waldrand des Mühlebergs anzugreifen, und dadurch den doppelten Zweck zu erreichen: die auf der Höhe vom Lattenbuck stehende feindliche Batterie zu vertreiben, und sich des Defiléeeingangs von Basserstorf zu bemächtigen, als sich ein Zwischenfall ereignete, welcher die beabsichtigte Angriffs-Bewegung in’s Stocken brachte.
Plötzlich hörte man hinten in dem Walddefilée lebhaft schiessen. Man glaubte anfangs an einen fatalen Missgriff eigener Abtheilungen, stellte aber doch momentan die begonnene Vorrückung ein. Doch bald schwand jeder Zweifel, dass noch feindliche Abtheilungen in dem Wald stecken. Ueber die Stärke derselben herrschte Ungewissheit; es konnte eine Compagnie, es konnte aber auch ein Bataillon oder noch mehr sein. Für die Annahme, dass sich bedeutende feindliche Kräfte im Wald befinden, schien die Lebhaftigkeit des Feuers zu sprechen. Der Chef des Bataillons 62 traf rasch Anstalten sich gegen einen Rückenangriff zu sichern. Er nahm sein Bataillon zurück und liess längs der Strasse nach Hackab 2 Compagnien gegen den Wald Front machen. Auch die beiden Reserve-Bataillone, von denen das eine unerwartet Feuer erhalten hatte, begannen gegen den im Wald befindlichen Feind in Thätigkeit zu treten. Das eine derselben (Fehrlin), welches sich noch gegen Breite zu hinter dem Wald befand, ging in dem Wald selbst vor, während das andere von der Westseite her angriff. Doch das Feuer des Feindes wurde schwächer und hörte bald ganz auf. Aus dem Waldesdunkel hervor trat ein Offizier, der bei dem anwesenden Chef des Ostcorps sich gefangen meldete, um, wie erfragte, den weitern Gang der Uebung nicht zu stören. Dem Offizier folgten 2 Compagnien, welche bis zum Schluss des Manövers hinter die Reserve geschickt wurden.
Diese Compagnien waren die Reserve, welche das Bataillon 68 hinter dem Eichenwäldli aufgestellt und nicht mehr an ihrem Platz gefunden hatte. Ob sie die Folge höhern Befehls oder aus eigener Initiative den Platz verliessen und zu welchem Zweck ist uns nicht bekannt. Es ist möglich, dass sie im Eichwäldli den Abschnitt gegen den Riedbuckwald zu besetzen wollten; sie können aber auch eine Diversion beabsichtigt haben, indem sie einen Flankenstoss gegen das Bataillon 63 führen wollten. Das Letztere scheint das Wahrscheinlichere. Das Bataillon 63 dürfte aber, als die Compagnien an den südöstlichen Waldrand gelangten, das Gehöfte von Hackab und das südlich davon liegende Gehölz Neubruck schon erreicht und stark besetzt gehabt haben. Dieses mag den Chef der beiden Compagnien veranlasst haben, den Rückweg gegen seinen frühern Aufstellungsplatz anzutreten. Hier fand er jedoch das eine Reserve-Bataillon des Ostcorps, welches mittlerweile hier eingetroffen war. Die Colonnenspitze wird, wie sie dieses gesehen, zu feuern angefangen haben. Der Chef der beiden Compagnien erkannte bald, dass das Bataillon 62 bereits in Nürensdorf eingedrungen sei. Wie er dann sich von allen Seiten mit Angriffen bedroht sah, da muss ihm klar geworden sei, dass er in eine Falle gerathen, aus welcher es kein Entrinnen gebe. Mit Resignation fügte er sich dem Unabänderlichen.
Da wir nur vermuthen können, wie die Sache sich zugetragen, aber nichts Bestimmtes wissen, so können, wir nicht sagen, an wem die Schuld des Unfalles, der die 2 Compagnien betroffen, liege.
(ASMZ 1878, Seite 353/354, Fortsetzung)
Immerhin war das Intermezzo interessant. Es machte beim Ostcorps besondere u. zw. augenblickliche Disposition, die nicht vorgesehen waren, nothwendig. Die Angriffsbewegung kam aber dadurch in's Stocken und der ursprüngliche Plan musste, wie wir später sehen werden, geändert werden.
Die Verzögerung des Angriffs und die Ueberraschung der Reserve wäre vermieden worden, wenn die Bataillone 62 und 63 den Wald östlich der Hauptstrasse durch Patrouillen gehörig abgesucht hätten. Diese hätten die 2 Compagnien entdecken müssen. Der Eifer des Vordringens kann die Ausserachtlassung der in einem so bedeckten Terrain doppelt gebotenen Vorsicht nicht rechtfertigten.
In Wirklichkeit würde der Angriff auf die Reserve zu Unordnung und Verlusten Anlass gegeben haben, denn alle Flanken- und Rückenangriffe haben eine bedeutende moralische Wirkung. Gleichwohl würde der Angriff, da er ganz isoliert stattfand und keine genügenden feindlichen Kräfte in der Nähe waren, um daraus Nutzen zu ziehen, bei einigermassen soliden Truppen des Gegners kein anderes Resultat für die beiden Compagnien des Westcorps geliefert haben.
Durch den Zwischenfall war eine kostbare halbe Stunde verloren gegangen. Der rechte Flügel des Westcorps hatte um den Lattenbuck herum, den obern Theil des Mühlebergwaldes erreicht und konnte nun seinen Rückzug gegen Basserstorf ungestört bewirken. Die Gefahr, gegen Baltenschwyl oder gar gegen Tagelswangen abgedrängt zu werden, war verschwunden.
Die Batterie des Westcorps am Mühleberg hatte nun ihre Aufgabe gelöst; lange hatte sie den Kampf mit 2 feindlichen Batterien geführt. Als jetzt die feindlichen Tirailleure anfingen sich an der Umfassung von Nürensdorf zu zeigen, erkannte der Batterie-Commandant, dass der Augenblick gekommen sei, einer andern Waffe Platz zu machen. Er liess in Folge dessen aufprotzen und zog sich in die Aufnahmsstellung gegenüber Basserstorf, wo die gleiche Batterie Tags zuvor gestanden, zurück.
Die Infanterie des Ostcorps hatte gegen 8½ Uhr ihre Angriffsbewegung wieder aufgenommen. Die Tirailleure des Bataillons 62 waren an der südlichen Umfassung von Nürensdorf angelangt. Vereint mit den ihnen nachfolgenden Unterstützungen schickten sie sich an den Mühlebergwald, dessen unterer Theil schwach besetzt schien, anzugreifen.
Die Artillerie des Ostcorps, welche glaubte, dass der Feind sich gänzlich zurückgezogen habe, potzte auf und folgte in das Dorf hinein nach.
Doch kaum fing die Spitze des Bataillons 62 an aus dem Dorf zu debouchiren, so ertönte aus dem Wald des Mühlebergs lebhaftes Tirailleurfeuer, untermischt mit Salven, die deutlich zeigten, dass sich hier bedeutende feindliche Kräfte befinden.
Die 2 Compagnien des Bataillons Wüst, welche den Wald besetzt hielten, waren einen Augenblick, bevor der Angriff erfolgte, ohne dass man es von aussen bemerken konnte, durch einen grossen Theil des Bataillons 67 verstärkt worden.
Den Angriff mit dem Bataillon 62 allein zu unternehmen, bot keine Chancen des Erfolges. Es musste das Bataillon 63, welches der Feind durch eine kleine Abtheilung hinhielt, herbeigezogen werden. Das Bataillon musste zu diesem Zweck eine Schwenkung nach rechts machen. Von der dominirenden Höhe des Lattenbuck gelang es ihm leicht in den obern Theil des Mühlebergwaldes einzudringen und auf diese Weise die Bataillone 67 und 68 zum Rückzug zu veranlassen.
Das voreilige Verlassen der Position hinter Nürensdorf brachte die Artillerie des Ostcorps in grosse Gefahr und beraubte sie der Möglichkeit den Angriff auf den Mühlebergwald wirksam vorzubereiten. Dieser musste von der Infanterie allein unternommen werden; die Artillerie befand sich indessen in dem engen Dorfdefilée von Nürensdorf eingekeilt, wo sie weder vorwärts noch zurück konnte, in einer bösen Lage.
Durch die verschiedenen Ereignisse hatte sich die Gefechtslage bedeutend geändert und es waren neue Dispositionen nothwendig geworden.
Der Chef des Ostcorps, welcher erkannte, dass der Feind nicht mehr nach Baltischwyl abgedrängt werden könne, richtete seine Anstrengungen nun direkt gegen Basserstorf. Zu diesem Zweck sendete er das Bataillon Ritzmann aus seiner Aufstellung nördlich von Nürensdorf durch den Hormbergwald gegen Gsteitli vor und beauftragte dasselbe diesen Punkt und den Hasenbühl, welche beide Basserstorf beherrschen, zu besetzen. Das Bataillon Fehrlin sollte dem Bataillon Ritzmann als Reserve nachfolgen.
Auf den Höhen fand das vorrückende Bataillon Ritzmann einige feindliche Abtheilungen, die sich rasch gegen Basserstorf zurückgezogen.
Um den Rückzug über die Ebene zu decken, hatte Herr Oberstlt. Zürrer die Batterie, wie bereits berichtet, in die Stellung von Runsberg, wo sie Tags zuvor gestanden, zurückgeschickt und ihr die Cavallerie als Bedeckung beigegeben.
Das Bataillon Knüsli, welches in Basserstorf geblieben war, besetzte den Schatzhügel und Hasenbühl und vertheidigte diesen. Erst nach längerem Gefecht wurde der Schatzhügel von den Bataillonen 62 und 63 genommen. Ersteres drang über den Hormberg und durch das Defilée, letzteres über den Mühleberg gegen genannten Hügel vor.
Die Abtheilungen der Bataillone 68 und 67 ordneten sich nach ihrem Rückzug aus dem Wald am Fuss des Höhenzuges, wo die meisten den Damm der Nationalbahn zum Schutz gegen das Feuer, welches von den Höhen aus auf sie unterhalten wurde, benützten.
Wohl zweckmässiger als diese Aufstellung wäre gewesen, die beiden Bataillone unter dem Schutz des Bataillons 69 rasch in die Stellung am Runsberg zurück gehen zu lassen und sie dort in der Position zwischen dem Hardwald und der Eichmühle aufzustellen. Etwas lang, und wohl länger als sich rechtfertigen liess, hielten die Truppen des Westcorps am Fuss des Höhenzuges und in der Ebene.
Ein energischeres Vorgehen von Seite des rechten Flügels des Ostcorps würde diesen Widerstand abgekürzt haben.
Als die ersten Abtheilungen des Westcorps sich über die Ebene zurückzuziehen anfingen, eröffnete die Artillerie des Ostcorps von den Höhen oberhalb Baltischwyl ihr Feuer u. zw. etwas lebhaftes, da sie glaubte, dass dieses die letzten feindlichen Abtheilungen seien, die sich zurückziehen. Dass bei Basserstorf und auf dem Schatzhügel noch gekämpft werde, konnte man aus ihrer Stellung, da in dieser Richtung der Wald die Aussicht beschränkte, nicht sehen.
Die Artillerie des Westcorps erwiederte das Feuer. Wir wollen nun sehen, wie die Artillerie des Ostcorps in ihre Stellung bei Grossrütti oberhalb Baltischwyl gelangt ist.
Die Artillerie, welcher der Weg, nachdem die Bataillone 62 und 63 in den Mühlebergwald eingedrungen, offen war, nahm die Richtung gegen Baltischwyl und setzte sich bei Grossrütti (Punkt 490), auf einer Waldblösse, in Batterie. Von hier aus konnte sie die vor ihr liegende Ebene kräftig beschiessen; ihr Feuer würde dem über die Ebene zurückgehenden Feind grossen Schaden zugefügt haben. Allerdings war sie hier weit abgetrennt von den eigenen Truppen und ungemein exponirt. Dieses bemerkte auch ein Dragoner-Offizier, der mit einem Zug zum Flankenschutz gegen Baltischwyl vorgehen wollte, und bot sich dem Chef der Artillerie zur Bedeckung an.
Gleichwohl wäre die Batterie bei etwas mehr Initiative von Seite der nach Lindau abgedrängten Compagnie, die ihr auf ihrem Rückweg im Wald auf 2-300 Meter nahe kam, doch ohne sie zu beschiessen (!) in eine sehr fatale Lage gekommen.
Es mochte 9 Uhr sein als die Infanterie des Ostcorps von den Höhen herunter bis an den Weg, der von Basserstorf nach Baltenschwyl führt, vorgerückt war.
In Basserstorf fand die Schwadron 24 des Ostcorps, welche durch das Terrain gedeckt, dem Feind verborgen hatte vorrücken können und der Infanterie dicht gefolgt war, Gelegenheit zwei erfolgreiche Attaquen auszuführen; die eine in dem Dorf Basserstorf selbst überraschte eine feindliche Infanterie-Abtheilung so vollständig, dass sie jede Widerstand vergass. Später bei dem Debouchiren aus Basserstorf bot sich eine zweite Gelegenheit, eine feindliche Feuerlinie, bevor diese sich dessen versah, in der Flanke und im Rücken anzugreifen.
Nach längerem Tirailleurgefecht in der Ebene, entschloss sich Herr Oberstlt. Gessner dem Widerstand des Feindes durch Vornehmen des rechten Flügels ein Ende zu machen. - Das Centrum und der linke Flügel sollten einstweilen ein stehendes Feuergefecht führen.
Der rechte Flügel war durch die beiden Schaffhauser Bataillone gebildet, das eine im 1., das andere im 2. Treffen. In der Mitte stand das Bataillone 62, den linken bildete das Bataillon 63. Die Cavallerie war auf den äussersten rechten Flügel dirigirt, die Artillerie stand ungefähr 1 Kilometer von dem linken Flügel des Bataillons 63 entfernt.
Vor der ganzen Front des Regiments Nr. 21 bestand sich eine dichte Tirailleurlinie. Hinter dieser kleinere Unterstützungen.
Die wenigen Reserve-Compagnien des linken Flügels standen in Compagnie-Colonnen oder des feindlichen Infanterie- und Artilleriefeuers wegen in Linie.
Doch es brauchte lange und wiederholten Befehl bis der rechte Flügel sich in Bewegung setzte und dann auch geschah die Vorrückung nur langsam und unsicher. Es ist dieses um so weniger erklärlich als diesem Flügel nur schwache feindliche Abtheilungen entgegen standen. Die Zögerung hatte in der Folge den Nachtheil, dass der Feind seinen linken Flügel verstärken konnte.
Endlich war der rechte Flügel des Ostcorps so weit vorgerückte, dass der linke Flügel auch vorgehen konnte; der feindliche Stellung nahe genug gekommen, erfolgte der Sturm; bei dieser Gelegenheit konnte der Feind einen Gegenstoss gegen die Flanke des 1. Schaffhauser Bataillons führen, da ihm dieses alle Zeit gelassen, wirksame Gegenanstalten gegen den ihm auf dieser Seite drohenden Angriff zu treffen.
Es war 10 Uhr als das Zeichen Feuereinstellen gegeben und die Offiziere zur Kritik besammelt wurden. Um 11 Uhr konnten die Truppen in ihre Stationen u. zw. die des Ostcorps nach Winterthur und die des Westcorps nach Zürich abrücken. Beide trafen etwas nach 2 Uhr wohl geordnet zu Hause ein.
(Auf die nachfolgenden Fortsetzungen in den ASMZ-Ausgaben unter dem Titel einige Betrachtungen von mehr allgemeinem Interesse wird hier verzichtet. Diese Betrachtungen können beim KULTUR-NETZ Bassersdorf bezogen werden.)