Vom Lampisten zum Elektrizitätswerk
geschrieben 1986
Mitautor: Fritz Finger,
ehem. Technischer Leiter EWB
Die Strassenlaternen sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. In Zürich gab es sie ab 1806 und die Strassen von Winterthur wurden am Ostermontag des Jahres 1821 zum erstenmal beleuchtet.
Die Gemeinde Bassersdorf erhielt 1873 ihre ersten, mit dem petrolartigen Brennstoff Neolin betriebenen Laternen. Wächter Heinrich Brunner und Kupferschmied Hans-Rudolf Dübendorfer erstellten sie unter der fachmännischen Anleitung von Lampist Bachmann aus Zürich.
An die Kosten von 1300 Franken bezahlten die Herren Gebrüder Bürkli, Besitzer der «Fabrik», 89 Franken und die Sennereigesellschaft 79 Franken. Den verbleibenden «Rest» aber konnte die Gemeinde «aus dem Geschenk des Herrn Waller» bestreiten. Was diesen Herrn Waller dazu bewogen hatte, der Gemeinde Bassersdorf ein derartiges Geschenk zu machen, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Zum Tag- und Nachtwächter, «verbunden mit dem Lampisten», wurde der bisherige Wächter Heinrich Brunner, im Mösli, gewählt. Er war der einzige, der sich gemeldet hatte. Die Aufgabe des Wächters als Lampist war das Anzünden der Lampen mit der meterlangen Zündstange, das Löschen und das Nachfüllen derselben. Etwas abseits des Dorfes, in einem kleinen Steinbau an der Möslistrasse, wurde der gefährliche Brennstoff im «Ölhüsli» gelagert.
Sicher war die Errungenschaft dieser Strassenbeleuchtung ein willkommener Komfort. Allerdings gab es auch Leute, welche die «tagheihell erleuchteten Strassen» als Ursprung des Übels der Nachtschwärmerei liederlichen Gesindel hielten.
Kaum 20 Jahre später entnehmen wir dem Protokoll der Gemeindeversammlung von 21. Juli 1901: «Die Gemeinde besitzt als Strassenbeleuchtung 30 Neolinlampen … Die Beleuchtung ist als eine mangelhafte und ungenügende zu bezeichnen … Sie kostet die Gemeinde inklusive Bedienung 750 bis 780 Franken im Jahr.» Die Gemeindeversammlung beschloss daraufhin die Einführung der elektrischen Strassenbeleuchtung.
Die gleiche Gemeindeversammlung beschloss auf Antrag des Gemeinderates, es sei der «Motor AG für angewandte Elektrizität» die Konzession für das Erstellen eines Verteilnetzes für die Abgabe von elektrischer Energie für Licht und Kraft bis zum Jahre 1917 zu erteilen.
Offenbar wurden aber schon damals Liefertermine nicht immer eingehalten, denn im April 1902 mussten der Motor AG Fristen gesetzt werden für das Erstellen des elektrischen Verteilnetzes. Es wurden sogar Konventionalstrafen angedroht, wenn die Versorgungseinrichtungen nicht bis zum 1. Oktober 1902 betriebsbereit seien. In dieser Zeit interessierten sich natürlich viele Gemeinden für das Einführen der Elektrizität. Bassersdorf beschloss 1904 den Beitritt zum Genossenschafts-Verband, den diese Gemeinden im Begriff waren zu gründen.
Trotz negativen Fachgutachten beschloss die Gemeindeversammlung 1908 den Rückkauf des elektrischen Verteilnetzes von der Motor AG zum Preis von 50’000 Franken. Eine Kommission erarbeitete den Übernahmevertrag und erstellte ein Reglement für den Betrieb des gemeindeeigenen Elektrizitätswerkes, welches allerdings nicht selbst den Strom erzeugt, sondern zum Wiederverkauf bezieht.
Im gleichen Jahr 1908 entstanden aus dem Elektrizitätswerk an der Sihl und der Firma Gubler & Co Dietikon die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, die EKZ. Mit diesem neuen Stromlieferanten wurde im April 1909 der erste Stromliefervertrag abgeschlossen. Bereits im November des gleichen Jahres bewilligte die Gemeindeversammlung den Kredit von 4’000 Franken für den Ankauf von Elektrizitätszählern.
Während 50 Jahren besorgten ortsansässige Fachleute sämtliche Planungs- und Montagearbeiten. Für die technische Planung war ab Ende der zwanziger Jahre Ing. Alfred Bally verantwortlich, und die EW-Kommission stellte mit Albert Fürst-Wuhrmann den Betriebsleiter, der die Ausführung der technischen Arbeiten überwachte.
Nach der Einführung der Elektrizität gab es noch keinen Elektriker im Dorf. Ein Mitglied des Gemeinderates fragte den jungen Geschäftsmann Hans Dübendorfer-Huber, ob er Werkmonteur werden wolle. Dieser bemerkte, er sei Spengler und Installateur und verstehe nichts von Elektrizität. «Dann kannst du's lernen!», war die Antwort. - Er hat es gelernt. Hans Dübendorfer-Huber war Werkmonteur von 1916 bis 1949. Dann ging dieser Auftrag an seinen Sohn, den dipl. Elektrotechniker Hans Dübendorfer-Weiler, über. 1960 wurde erstmals ein Technischer Angestellter für die Gemeindewerke eingestellt. Von diesem Zeitpunkt an wurden nach und nach alle Arbeiten von werkeigenem Personal ausgeführt.
Mit dem stetigen Wachstum der Gemeinde entwickelte sich auch das Gemeinde-Elektrizitätswerk anlagemässig und ökonomisch zu einem soliden Dienstleistungsbetrieb. Durch den mutigen und weitsichtigen Entscheid der damaligen Gemeindeväter kamen die Strombezüger unserer Gemeinde zu günstigen Strompreisen und die Politische Gemeinde zu einem willkommenen finanziellen Zustupf.
Die erste Stromversorgungsanlage bestand 1909 aus einem 8000-Volt-Freileitungsnetz, drei Transformatorenstationen und einem Niederspannungs-Freileitungsnetz mit einer Spannung von 250/125 Volt. Weil damals das gesamte Verteilnetz aus Freileitungen bestand, mussten die Transformatorenstationen als Hochbauten erstellt werden. Über den eigentlichen Transformatorenraum wurde ein rohrartiger Aufbau gestellt, an dem die Freileitungen abgespannt werden konnten. Da diese enge Bauart praktisch keine Erweiterungsmöglichkeiten bot, baute man später die «Käsbissen-Häuschen», von denen noch heute eines an der Bahnhofstrasse in Betrieb ist. Mit dem Aufkommen der Bodenkabel in den dreissiger Jahren wurden immer mehr Freileitungen durch Kabel ersetzt. Damit wandelte sich auch der Bau von Transformatorenstationeu. Nun konnten sie einstöckig erstellt oder in die Untergeschosse von Neubauten eingeplant werden.
Die steigenden Leistungsanforderungen bedingten Mitte der dreissiger Jahre eine Spannungserhöhung. Das Sekundärnetz wurde auf die heutige Normalspannung von 380/220 Volt umgebaut und primärseitig die Spannung auf 16 000 Volt erhöht.
Der Stromverbrauch steigerte sich von etwa 470’000 kWh im Jahre 1909 auf 19'669’000 kWh im Jahre 1984. Bei einer fünfmal grösseren Bevölkerungszahl auf das 42fache!