Geschichte der Landwirtschaft

Vom Jäger und Sammler zum Bauern

Die Anfänge der Landwirtschaft markieren einen entscheidenden Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte: Als umherziehende Jäger und Sammler lebten die Menschen buchstäblich von der Hand in den Mund. Erst der Gedanke, Getreidekörner, Knollen und Hülsenfrüchte nicht mehr nur zu sammeln, sondern sich diese durch Aussaat, Pflege und Ernte ständig verfügbar zu machen wurden sie sesshaft und legten dauerhafte Siedlungen an. Nun waren sie in der Lage, planmässig Ackerbau zu betreiben und gezielt Vorräte anzulegen.

Etwa parallel zu dieser Entwicklung hat der Mensch begonnen, Tiere zu domestizieren. Bereits vor 9'000 Jahren wurden im mittleren und fernen Osten Schafe, Ziegen und Schweine als Lieferanten von Fleisch und Fell in menschlichen Siedlungen gehalten. Mit der Zucht von Rindern gelangte man zu weiteren tierischen Produkten wie Milch und Käse. Und nicht zuletzt wurden Rinder als Arbeits- und Lasttiere eingesetzt.

Zur damaligen Zeit waren die Bauern noch ihre eigenen Werkzeugmacher. Im Rhythmus der Jahreszeiten wurde entweder auf dem Feld oder im Haus gearbeitet. Aus den saisonbedingten unterschiedlichen Tätigkeiten entwickelte sich ein Nebeneinander von Tätigkeiten, die Arbeitsteilung, die unter anderem zu den Berufen des Schmieds und des Zimmermanns führten.

Das Mittelalter war für die Bauern eine schwere und folgenreiche Zeit. Das Prinzip der Realteilung, nach dem ein Bauer sein Land anteilig auf alle Kinder vererbte, führte dazu, dass die Höfe immer kleiner und unrentabler wurden.

Die unfreien Bauern mussten ihrem Grundherren für Nutzung von Grund und Boden regelmässig bestimmte Erträge des Hofes wie Gemüse, Eier, Geflügel, Schweine oder Schafe abliefern und musste darüber hinaus an einigen Tagen in der Woche sogenannte Frondienste auf dem Herrenhof leisten. Obendrein hatte die Bauern auch noch eine Vielzahl von Abgaben zu entrichten. Wenn der Bauer starb , war der Grundherr, der auch oberster Richter war, der Haupterbe.

Erst im Spätmittelalter besserte sich die Lage der Bauern wieder. Sie erhielten grössere Freizügigkeit, wurden rechtlich besser gestellt und bekamen grössere Rechte am Hof. Das Selbstbewusstsein der Bauern stieg und die Unzufriedenheit entlud sich in den zahlreichen Bauernaufständen.

Zufällige Erkenntnisse - zum Beispiel über bessere Wachstumsbedingungen - führten zu kleinen Verbesserungen, ohne dass wirklich rationelle Arbeitsmethoden mit guten Ernteerträgen entwickelt wurden. So arbeitete der weitaus grösste Teil der Bevölkerung, 1750 waren es 80% aller Europäer, unter heute unvorstellbaren Mühen in der Landwirtschaft.

Seit 1750 hat sich die Boden- und Arbeitsproduktivität um das zwanzig- bis dreissigfache weiterentwickelt (mit allen Vorteilen für die Ernährung der Menschen, aber auch mit allen Nachteilen wie Umweltzerstörung, Überbevölkerung etc.) Albrecht Thear (1752-1828) und Justus von Liebig (1803-1873) waren es, die durch Verbesserung der Anbau- und Düngemethoden die Landwirtschaft revolutionierten.

Diese Verbesserung alleine reichte aber nicht aus. Auch die Teilweise noch recht primitiven Geräten und Maschinen bedurften der Weiterentwicklung, sie waren oft zu schwer oder lieferten nicht die gewünschten Arbeitsergebnisse. Neue Materialien wie zum Beispiel Gusseisen, verbesserte physikalische Eigenschaften und vor allem neue Erkenntnisse über ökonomischere Arbeitsformen und –abläufe brachten Abhilfe.

So gab es ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zweite revolutionäre Entwicklung: die bis dahin in Gebrauch gewesenen, mit menschlicher oder tierischer Muskelkraft betriebenen Geräte und Maschinen wurde motorisiert. Mit Dampf, Strom oder Verbrennungsmotoren angetrieben, übernahmen Lokomobilen, Traktoren, Mähdrescher und Melkmaschinen die Arbeit der Menschen und Tiere. Heute ist eine Landwirtschaft ohne hochmotorisierte Geräte und Maschinen nicht mehr denkbar.

Des Bauern Handwerk übers Jahr

Die Arbeit der Bauern hing davon ab, wie es in der Natur aussah, was auf dem Hof, in Wald und Feld zu tun war. Auch das Wetter bestimmte die Arbeit: Drohte etwa im Juni oder Juli ein Gewitter, so musste die Heuernte schnell eingefahren werden. Auf einem Bauernhof fiel während des ganzen Jahres genügend Arbeit an. Der Bauer und die Bäuerin, die Kinder, die Knechte und die Mägde hatten immer zu tun. In der dunklen Jahreszeit, wenn die Sonne früher unterging, verlagerte sich die Arbeit von Acker und Feld hinein ins Haus, Stall und Scheune. Freie Zeit, die heute genannte «Freizeit» , gab es nicht - keiner konnte die Hände in den Schoss legen.

Im Januar war es die Aufgabe der Männer, die nicht das Vieh auf dem Hof versorgten, das Holz aus dem Hochwald herunterzuholen. Aber auch wer im Stall arbeitete, wurde noch zu anderen Pflichten herangezogen: Alles Arbeitsgerät musste wieder instand gesetzt werden. Deshalb wurde der Montag nach dem Heiligdreikönigstag auch «Pflugtag» genannt. Dieser «verlorene Montag» , wie man ihn auch bezeichnet, galt von alters her als Aufräum- und Kehrtag. Frauenarbeit war es im Januar, die Wäsche und Kleidung wieder zu reparieren: Die Bäuerin und die Mägde flickten und waren mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigt. Flachs und Wolle musste gesponnen und dann auch verarbeitet werden.

Im Februar wurden die Maiskolben «gerübelt» : So nannte man das Abreiben der einzelnen Körner vom Kolben. Das Holz, das man im Januar aus dem Hochwald geholt hatte, musste nun in Scheite gehackt werden. Das war reine Männerarbeit. Auch die Frauen packten hier kräftig mit an, obwohl sie außerdem viel im Haus und in der Stube zu erledigen hatten: Meistens gab es noch genug Arbeit mit dem Ausbessern der Wäsche, die im Januar nicht bewältigt werden konnte. In der Spinnstube war immer genügend Material vorhanden, damit die handwerkliche Verarbeitung nie aufhörte.

Im März wurde das Holz aussortiert, das man brauchte, um die Zäune sowie Schäden an Haus, Stall und Scheune auszubessern oder Neues anzubauen. Das war Männerarbeit: Dachschindeln wurden gefertigt, Zaunholz gesägt. Gleich nach dem ersten Tauwetter, das ja oft schon im März einsetzt, begann die Arbeit auf Acker und Feld: In den Wiesen mussten die Wassergräben gereinigt werden. Die Frauen arbeiteten in diesem Monat meist noch im Haus - ausser der Bauerngarten konnte bereits bestellt werden. Dann musste man die Beete vorbereiten: Die Mulchschichten entfernen, den Boden lockern und glattrechen, das spriessende Unkraut jäten. Im Keller keimten die ersten Frühkartoffeln und das letzte Wintergemüse wurde geerntet: Feldsalat, Grünkohl und Rosenkohl.

Im April waren die anfallenden Feldarbeiten zu erledigen: Wiesen und Äcker wurden gedüngt. Dann begann die Aussaat: Zuerst der Hafer, später dann die Gerste und zuletzt die Kartoffeln. An regnerischen Tagen rieb man den Dünger auf den Wiesen mit einer Egge in den Boden ein und zerkleinerte ihn dadurch. Bei trockenem Wetter wurden die Überbleibsel dann weggeräumt. Wer im Herbst noch Gründünger ausgesät hatte, pflügte diesen jetzt unter, säte neuen auf den Feldern, die in diesem Jahr brachliegen sollten oder erst für die Herbst- und Wintersaat in Frage kamen. Bei all diesen Arbeiten gingen die Frauen den Männern tüchtig zur Hand und bestellten nebenbei noch den Bauerngarten am Haus: Sommerblumen konnte man jetzt ebenso aussäen wie Gewürzkräuter und einzelne Gemüsesorten.

Im Mai war man mit dem Kartoffelanbau fertig. Jetzt kamen die Bohnen in den Boden, Runkelrüben und Krautpflanzen wurden gesetzt. Die Frauen entfernten das Unkraut von den Äckern, ab der Mitte des Monats bevorzugt von den Kartoffelfeldern. Nach den Eisheiligen, den letzten kalten Tagen, erhöht sich auch die Arbeitszeit im Bauerngarten: Tomaten, Paprika, Gurken, Kürbis, Sellerie und Kohl mussten gepflanzt, die ersten Salate sowie Rettich, Kohlrabi und Rhabarber konnten geerntet werden. Die Männer beschäftigten sich weiterhin mit der Reparatur der Zäune und setzten die Feld- und Bergwege für die Sommermonate instand.

Im Juni war es an der Zeit, in den Kartoffelfeldern zum zweiten Mal Unkraut zu jäten und den Boden aufzulockern. Ab Mitte Juni begann dann die Heuernte, bei der jeder Bewohner der Hofes gebraucht wurde. Im Bauerngarten wurde für die Winterernte Grün- und Blumenkohl, für die Sommerernte Salat, Spinat, Karotten, Gurken, Kürbis und Kohlrabi gesät. Das Vieh wurde ab dem Sankt-Veitstag (15. Juni) auf die Almen getrieben, wo die Tiere von einem Knecht oder einer Magd den Sommer über versorgt wurden.

Im Juli wurde das Heu auf den höher gelegenen Wiesen des Berglandes geschnitten und eingefahren. Auch hier halfen alle Bewohner des Hofes zusammen. Der Roggen auf den Feldern wurde ab der Monatsmitte geerntet. Das galt überall auf dem Lande als Frauenarbeit. m Bauerngarten konnten schon die ersten Karotten und Rote Beete, Mangold, Erbsen und Frühkohl geerntet werden. Auch das erste Obst war reif: Kirschen, Äpfel, Pflaumen, Stachelbeeren mussten gepflückt werden. Die Männer gingen zu dieser Zeit ins «Holz» : Sie schlugen das Holz zum Bauen und zum Verarbeiten auf dem Hof. Dabei hielt man sich streng an die alten, überlieferten Regeln zum Holzschlag. Der Flachs zum Spinnen musste ebenfalls geerntet werden. Er wurde ausgezogen und für die spätere Verarbeitung getrocknet.

Im August war die Erntezeit für die meisten Getreidesorten. Schon zu Monatsbeginn wurden Weizen, Gerste und Hafer geschnitten. Die Stoppelhalme mähte man und brachte sie zum Trocknen in die Scheune. Dann folgte eine Zeit der «Brache»: Man liess die Felder ruhen und säte nichts Neues an. So verdorrten Unkraut und eingefurchte Halme am schnellsten und man konnte sie später unterpflügen. Im Bauerngarten wurde das Wintergemüse ausgesät: Feld-, Kopfsalat und Wirsing. Mittelfrühe Kartoffeln, Lauch, Zwiebeln, Sommerkohl und Hülsenfrüchte konnte man bereits ernten, ebenso Birnen, Zwetschgen und weitere Apfelsorten. Ab Mitte August begann man auf dem Hof mit dem Ernten des Getreides. Seit Anfang dieses Jahrhunderts werden für diese Arbeit Maschinen eingesetzt.

Im September brachte man das zweite Heu - auch Gummet genannt -in die Scheunen. Auf dem Feld wurde der Winterroggen angebaut. Der grosse Viehabtrieb von den Almen war ein feierliches Ereignis: Man freute sich über die gut genährten Tiere und feierte Erntedank. Der getrocknete Flachs wurde zur «Röste» auf Wiesen und Stoppelfeldern ausgebreitet. Im Bauerngarten konnten Spätkartoffeln und -möhren geerntet werden. Äpfel und Birnen waren jetzt reif, ebenso Holunderbeeren. War es ein ertragreiches Jahr, so begann jetzt für die Bauern die schönste Zeit: Alle Früchte waren geerntet, die Scheunen waren mit Futter für die Tiere, die Kisten mit Getreide, die Vorratskammern mit Obst und Gemüse gefüllt und das Vieh kam gesund zurück auf den Hof.

Im Oktober war das Kartoffelgraben die Hauptarbeit. Was man nicht selbst in den Vorratskammern auf dem Hof einlagerte, wurde auf den Märkten in der Stadt oder auf den Dörfern verkauft Obst ebenso wie Gemüse, das vom Feld oder aus dem Bauerngarten stammte. Den besten Absatz erzielten Kartoffeln und Mais, Äpfel, Birnen und Nüsse, Quitten und Zwetschgen sowie Gewürz- und Heilkräuter. Für die Männer wurde es jetzt Zeit, auf den Feldern den Winterweizen zu säen. Auch war nun die Zeit zum Ausarbeiten des Getreides, das in früherer Zeit durch das Dreschen, einer harten körperlichen Arbeit für Mann und Frau, erfolgte.

Im November brachte man den restlichen Dünger auf die Wiesen aus und verteilte ihn dort. Als letzte Ernte galten Krautköpfe und Runkel (Futterrüben). War dann alle Feldarbeit getan, gingen die Männer wieder in den Wald: Bäume mussten gefällt werden, die Streu war zu richten, und Wurzelstöcke mussten ausgegraben werden. Im Bauerngarten gab's den ersten Winterlauch zu ernten, ausserdem Herbst- und Grünkohl. Die Vorratskammer musste ständig kontrolliert werden: Obst und Gemüse sollten ja für den Verzehr im Winter halten. Für die Frauen begann zudem wieder die Arbeit in der Stube.

Im Dezember verbrachten die Männer viel Zeit damit, die im Wald vorbereiteten Fichten- und Tannenäste sowie die Bodenstreu auf den Hof zu bringen. Je nach Wetterlage konnte man nicht mehr mit dem Wagen fahren, sondern musste dafür den Pferdeschlitten einspannen. Die ausgegrabenen Baumstrünke wurden zur Heizung der Öfen vorbereitet: Man sprengte sie und hackte sie auf. Bei schlechtem Wetter gab es keine Ruhepausen, sondern reichlich Beschäftigung im Hause: Frauen und Männer hatten in Stube, Stall und Scheune allerlei auszubessern, zu ordnen und nachzusehen. Im Bauerngarten konnte man an frostfreien Tagen noch Meerrettich und Topinambur ernten. In der Vorratskammer wurde Angefaultes aussortiert, damit das übrige Obst und Gemüse heil über den Winter kam.

Bauernregeln - eine kurze Erklärung

Bauernregeln nennt man die sich meist auf die Wettervorhersage beziehenden Sprüche des Volksmundes. Meist bei den Kulturnationen vorhanden, fehlen sie auch primitiven Völkern nicht ganz. Bald gereimt, bald ungereimt, sind die Bauernregeln, deren Kenntnis naturgemäss unter der Landbevölkerung am ausgedehntesten ist, teils auf lokale Witterungserscheinungen gegründet, teils als Traditionsgut aus der Antike übernommen. Soweit die Sprüche antikes Gut bergen, sind sie durch Vermittlung der Kirche in Deutschland verbreitet worden; bekanntlich gehörte es schon frühe zu der Tätigkeit der Mönche, Feld- und Gartenbaukultur zu pflegen. Von diesen meist astrologisch beeinflussten Regeln, die vielfach das Ergebnis eingehender meteorologischer Beobachtungen des Altertums enthalten, sind ganz jene andern Sprüche zu trennen, die aus ungeschulter, naiver Naturbeobachtung des deutschen Volkes hervorgegangen sind und in die sich teilweise noch Relikte der deutschen Mythologie gerettet haben. Heute sind beide Richtungen so stark aneinander angeglichen, dass es unmöglich scheint, die Verbreitungsgebiete einzelner Vorstellungen geographisch gegeneinander abzugrenzen.

Die Form dieser, Bauernregeln genannten, Sprüche ist stets ein Bedingungssatz. Nach den in dem Nebensatz dieser Perioden enthaltenen Bedingungen darf man die Bauernregeln etwa in folgende vier Gruppen gliedern:
1. Astrologische Sprüche
2. Sprüche, in denen Aussagen für Ernte usw. gemacht werden
3. An Windeswehen, Donner und Blitzerscheinungen angeknüpfte Regeln
4. Weissagungen aus Erscheinungen der Tier- und Pflanzenwelt

1. Astrologische Sprüche

Die Astrologischen Bauernregeln sind zum grossen Teil auf antike Einflüsse zurückzuführen, die teils im Gefolge der Christianisierung der Germanen, teils auch mit dem Einzug der Astrologie im 11./12. Jh. in Deutschland Eingang gefunden haben. Besonders müssen hier Vergils Georgica von Einfluss gewesen sein. Die ältesten deutschen Sammlungen solcher Sprüche sind die Bauernpraktik von 1508 und Reynmanns Wetterbüchlein von 1510.

2. Sprüche, in denen Aussagen für Ernte usw. gemacht werden

Die Ernteweissagungen aus der Witterung bestimmter Monate und Tage gehören zu den auf lokale Beobachtungen durch die Landbevölkerung zurückgehenden Regeln. Beispiele:
Monatsregeln: «März trocken, April nass, Mai lustig von beiden was, bringt Korn in'n Sack und Wein ins Fass.»
«Der Mai kühl, der Brachmonat nicht nass, füllt dem Landmann Speicher, Keller, Kasten und Fass» (Pfalz).
Wochentagregeln: «Freitagswetter - Sonntagswetter.»
«Regnets Sonntags über das Messbuch, so hat man die ganze Woch' genug» (Eifel).
Spezielle Tage: Gehören in gewissem Sinne hierher, die an die Witterung bestimmter Tage im Jahr (Lostage oder Schwendtage) angeknüpften Regeln. Von Bedeutung sind:
a) die Tage von Weihnachten bis Epiphanias, die sogenannten Zwölften. Der Brauch, aus der Witterung dieser Nächte die Witterung der Monate des kommenden Jahres zu erforschen, ist über ganz Europa verbreitet; in Deutschland findet er sich wohl frühestens 1468 erwähnt.
b) Mit den Lostagen beschäftigt sich manche Bauernregeln. Ein Beispiel:
«Wie sich die Witterung vom Christtag bis heilig Dreikönig verhält, so ist das ganze Jahr bestellt» (Eifel).
Eine Reihe meist kirchlicher Festtage: Lichtmess (2. 2.), Siebenschläfer (27. 6.), Maria Heimsuchung (2.7.), Elias (20.7.), Lorenz (10. 8.), Bartholomäus (24.8.), Ägidius (1. 9.), Michaelis (29.9.), Lukas (18. 10.), Allerheiligen (1. 11.), Martini (11. 11.), Weihnachten (25. 12.).

Ein Teil der zu diesen Tagen gedichteten Regeln besteht mit seinen Beobachtungen und Weissagungen der Witterung zu Recht: vor allem die an Weihnachten und den Johannistag angeknüpften Prophezeiungen, da mit der in diese Zeit fallenden Sonnenwende Witterungswechsel einzutreten pflegt. Die in diesen Versen geweissagte Länge von Regenperioden ist in ihrer Zahlangabe oft allerdings nur durch den Reim bedingt und entbehrt so jeder Beobachtungsgrundlage. Bei den hier verwendeten Zahlen spielt 40 eine grosse Rolle. Ausserdem beachte man, dass den Bauernregeln, die an die Lostage anknüpfen, der alte Cäsarische Kalender zugrunde liegt; zu dem heutigen Datum sind also stets 12 beziehungsweise 13 Tage hinzuzuaddieren. Diese Feststellung ist das wichtige Ergebnis der grossen Sammlung und Bearbeitung landwirtschaftlicher Volksweisheit in Sprichwort und Wetterregelform. Zur Illustrierung auch hier wieder einige Beispiele:
«Wenn an Lichtmess die Sonne scheint, dauert der Winter noch lang».
«Nach Pankraz und Servaz schaden die Nachtfröste den Früchten nicht mehr».
«Wenn es am Tage der Siebenschläfer regnet, so hat man vier Wochen lang Regen zu erwarten».
«Egide Sonnenschein, tritt schöner Herbst ein» usw.

3. An Windeswehen, Donner und Blitzerscheinungen angeknüpfte Regeln

Einige Beispiele dazu:
Wind: «Wie der Wind am 3., besonders aber am 4. und 5. Tage nach dem Neumond ist, so weht er den ganzen Monat hindurch.» Diese auf Tage berechneten Windsprüche scheinen wieder auf antike Einflüsse zurückzugehen; auch das Altertum kennt Monats- und Jahresweissagungen aus den am Anfang des Zeitabschnittes wehenden Winden. Deutscher Beobachtung aber verdanken Regeln ihre Entstehung wie: «Wind vom Niedergang ist Regens Aufgang; Wind vom Aufgang, schönen Wetters Anfang» oder «Grosser Wind ist selten ohne Regen.»

Gewitter: «Wenn es im Westen blitzt, so blitzt es nicht um Nichts; wenn es aber im Norden blitzt, so ist es ein Zeichen von Hitz.» Auch in diesen Sprüchen möchte man antike Einflüsse aus den Blitzbüchern vermuten. Antike Einflüsse sind gleichfalls wohl für die Donnerweissagungen massgebend; wenn man Sprüche hört wie: «Wenn es donnert über dem nackten Holz, kommt der Schnee über das belaubte», oder: «Von wo im Frühjahr der erste Donner herkommt, von dort kommen im Sommer die gefährlichsten Wetter», oder: «Wenn es im Märzen donnert, wird es im Winter schneien», muss man an Verwandtes aus der antiken Literaturgattung der Donnerbücher denken.

Regen/Regenbogen: Unter den an atmosphärische Erscheinungen angeknüpften Regeln spielt auch der Regenbogen keine unbedeutende Rolle: «Regenbogen am Morgen, macht dem Schäfer Sorgen, Regenbogen am Abend, ist dem Schäfer labend» oder: «Zeigt sich ein Regenbogen, wird für den Augenblick schönes Wetter, bald regnets aber nach Ungnaden».

4. Weissagungen aus Erscheinungen der Tier- und Pflanzenwelt

Die letzte Gruppe umfasst die Regeln, die sich auf Erscheinungen der Tier- und Pflanzenwelt beziehen. Beispiele:
«Wenn die Bäume zweimal blühen, wird sich der Winter bis Mai hinziehen.»
«Wenn im Hornung die Mücken schwärmen, muss man im März die Ohren wärmen.»
Oder man erkennt die Witterung für die folgenden Tage aus dem Tun gewisser Kleintiere. So sagt der Bauer den Regen voraus, wenn er die Frösche schreien hört, wenn die Taube badet, die Gänse auf einem Fuss stehen, Hühner die Schwänze hängen lassen, Regenwürmer aus der Erde kriechen, wenn die Bienen sich nicht weit vom Bienenstock entfernen, massenhaft leer zurückfliegen usw.

Die eigentlich astrologischen Witterungsregeln spielen heute wohl kaum mehr eine Rolle. Die Kenntnis der andern Regeln wird aber bis auf unsere Tage durch die jährlich erscheinenden Bauernkalender, ferner durch die 100jährigen Kalender wachgehalten; diese Kalender sind neben dem Kreisblatt die fast tägliche, aber auch einzige Lektüre des Landmanns.

Quellennachweis

Literaturverzeichnis  
Vom Jager und Sammler zum Bauern    Geschichte des Handwerks, EDITION XXL GmbH, 2004
Des Bauern Handwerk übers Jahr © 2003-2010 / bauernregeln.net
Bauernregeln - eine kurze Erklärung  © 2003-2010 / bauernregeln.net
Der 100-jährige Kalender © 2003-2010 / bauernregeln.net
   
Abbildungsverzeichnis  
Geschichte der Landwirtschaft homepage.eschspeed.lu/bellaluna/subunterrecht/
ACKERBAU_JUNGSTEINZEIT.htm