Von Gewichten und Waagen

Masse und Gewichte für den Handel

Um 2650 v Chr herum machte der zunehmende Handel in den frühen Hochkulturen aber auch der Vorratswirtschft machen die Einführung untereinander vergleichbare Masse für Gewichte und Rauminhalt erforderlich. Zugleich entwickelten sich auch Längen- und Wegemasse.

Die ältesten Einheiten finden sich in den monatlichen Bilanzen sumerischer Schreiber am Königshof. Die Journalführer verzeichnen auf Tontafeln regelmässig Warenrechnungen, Kassenbelege, Personalbestandslisten und machten Aufstellung über Warenbestände, Silber- und Kupfergeldvorräte. In Ägypten beschränkt sich die Buchführung im wesentlichen auf die Registrierung von Güterbeständen und die Verteilung von Gütern.

Während der so genannten Schuppurak-Epoche, die bis etwa 2600 v Chr andauert, dient zwar Metall als Tauschmittel, sein Wert wird aber in Getreidemassen ausgedrückt: 180 Getreidekörner (das entspricht ziemlich genau 8,4 gr) sind ein Sekel. Das Getreidekorn ist dabei weniger eine Zähl- als eine Gewichtseinheit. Mit besonders empfindlichen Balkenwaagen lassen sich auch sehr kleine Gewichte wie ein «halbes Korn» oder ein «viertel Korn» messen. Das sind 1 bis 2 Zentigramm. Als Darstellung der Waage im alten Ägypten gibt es eine Hieroglyphe, die ihre Form andeutet: Es ist eine einfache Waagebalken, der in der Hand gehalten wird und in der Regel aus Holz besteht (um 1350 v Chr).

Neue Schnellwaage mit Laufgewichten

Um 1350 v Chr während der Regierungszeit des Ägyptischen Königs Amenophis IV, der sich selbst Echnaton nennt, kommt die Schnellwaage mit Laufgewichten in Gebrauch. Etwa zur selben Zeit setzt sich diese Erfindung auch in Mesopotamien durch.

Die neue Schnellwaage ist eine Handwaage mit unterschiedlichen langen Armen. An dem einen hängt eine Schale für das zu wägende Gut. Der längere Arm trägt ein Laufgewicht, das sich längs einer Gewichtsskala so weit verschieben lässt, bis sich der Waagbalken horizontal einpendelt. Auch Waagen, bei denen der Gewichtsarm eine feste Länge hat und die Waagschale mit der zu bestimmenden Last längs des Arms bewegt wird, sind gebräuchlich.

Zur Ermittlung sehr grosser Lasten benutzt man die Hebelwaage, eine Gewichtsschalen-Standwaage mit unterschiedlichen langen Waagarmen. Die im Handel gebrauchten Waagen werden alle vier Monate von einem Staatsbeamten kontrolliert und gegebenenfalls neu geeicht. Gegen eine Gebühr erhalten sie einen Eichstempel.

Gewogen wir mit der Balkenwaage schon seit mehr als einem Jahrtausend. Mit dem zunehmenden Handel nimmt der «bargeldlose» Verkehr zu. Doch noch gibt es keine Münzen. Der Händler muss die Menge des als Zahlungsmittel geltenden Metalls jeweils auswiegen. An der syrischen Küste benutzt man dafür Handwaagen mit Bronzeschalen, die das genaue Auswiegen sogar von Bruchteilen eines Gramms erlauben.

In Ägypten wurde einige Jahrhunderte zuvor die Standwaage erfunden. Der hölzerne, meist mit Schnitzereien reich verzierte Waagebalken ist in der Mitte beweglich auf einem senkrechten Ständer gelagert. In der Höhe dieses Lagers besitzt er einen nach unten weisenden Zeiger. An den festen senkrechten Stütze ist ein Senklot angebracht, mit dem der Zeiger bei ausgeglichenen Waagschalen zur Deckung kommt. Die Gewichte sind kleine zylindrische Steine oder haben Tierform. Eingepunzte Gewichtszahlen bezeichnen wahrscheinlich Kornäquivalente (Anzahl von Getreidekörner, um 2650 v Chr).

1810 n Chr erfindet der Chemiker Johan Gottlieb Gahn aus Schweden die Laufgewichte zum genauen Austarieren zweiarmiger Waagen.

Hohe Messpräzision mit der Brückenwaage

1822 erfinden die deutschen Mechaniker Alois Quintenz und Johann Baptist Schwilgué in Strassburg die Dezimalbrückenwaage, die ein einfaches und ehr präzises Messen von grossen Gewichten gestattet. Die Brückenwaage besitzt eine Plattform, auf die sich das Wägegut stellen lässt. Diese Plattform ist über eine Parallelogrammführung mit einem am Rahmen der Waage montierten Waagebalken verbunden, der im Fall der Tafelwaage gleicharmig, im Fall der neu erfundenen Dezimalwaage ungleicharmig ist. Bei der Tafelwaage wirkt auf jeden Hebelarm eine Tafel, so dass man das Wägegut wie bei der alten Balkenwaage durch gleich schwere Gewichte kompensieren muss. Bei schweren Gütern ist das recht umständlich. Bei der Dezimalwaage ist der Hebelarm, auf den die Gegengewichte wirken, zehnmal so lang wie der, auf den das Wägegut wirkt. Für das Wägen bedeutet das, dass sich mit den aufgelegten Normalgewichten jeweils die zehnfachen Gewichte messen lassen.

Noch praktischer sich Tafelwaagen mit Laufgewichten. Bei diesem Waagetyp wird der Gewichtsausgleich nicht durch zusätzliches Auflegen von Normalgewichten erreicht, sondern durch Verändern des längeren Hebelarms beim Verschieben eines Laufgewichts. Damit wird der Messbereich besonders gross.

1927 führt Johann Friedrich H. Rollé die Arretierung der Waage bei Nichtgebrauch ein.